Beten ist keine Demonstration. Für mich ist es das nie gewesen. Es hat sehr viel gemein mit einer Stufe des Achtfachen Pfades im Buddhismus, die sich nennt: Rechte Achtsamkeit.
Wenn Paulus seinen Thessalonichern zuruft: Betet ohne Unterlass, dann meint er das für mich im Sinne dieser Anweisung: Seid immer achtsam.
Die Worte Masaharu Taniguchis aus Die geistige Heilkraft in uns geben genau meine Auffassung wieder; auch diese hier, wie schon jene des vorletzten Posts, sind mir aus dem Herzen gesprochen:
In gewissem Sinne ist jedes Reden ein Beten. Man darf nicht denken, dass zum Beten Niederknien, Händefalten oder andere Zeremonien gehören. Jesus sagte, dass der Mensch über jedes törichte Wort, das er spricht, am Tag des Gerichts Rechenschaft ablegen muss. Wie viele Menschen hören und führen heutzutage unnötiges Gerede. Wenn der Tag des Gerichts kommt, das heißt, wenn sich in der Praxis des Lebens das Gesprochene auswirkt, denn es gibt nichts, das sich nicht irgendwie auswirkt. Als Jesus uns über die Macht der Worte belehrte, sich in der Welt der Tatsachen auszuwirken, da sagte er: "Himmel und Erde werden vergehen, aber meine Worte werden nicht vergehen", und weiter: "Die Worte, die ich euch sage, sind Geist und sie sind Leben."
Was wir hören und sprechen erzeugt nicht nur Schwingungen, welche in die Gehirnzellen eindringen. Darüber hinaus entstehen Ätherwellen, die sich über das Universum ausbreiten. Sie beeinflussen das Gedankenleben anderer und jene geheimnisvolle Kraft, welche den Ablauf des Geschehens bestimmt. Sie ziehen an, was ihnen ähnlich, und stoßen ab, was ihnen ungleich ist.
Bei der Diskussion über praktische Methoden zu beten, kann man das dringendste Problem in die Form folgender Fragen kleiden:
- Was sprichst Du jeden Tag?
- Sprichst Du schlecht über andere?
- Sprichst Du freundlich über andere?
- Bist Du ein Pessimist?
- Bist Du ein Optimist?
- Sprichst Du über Alltäglichkeiten?
- Sprichst Du über das Gewinnen von Reichtum oder über geistige Fortschritte?
Scharfe Worte der Kritik über andere schädigen nicht allein diese, sie schlagen auch zurück auf unser eigenes Leben und unsere Gesundheit. Liebevolle Worte aber, welche die erregenden Gemütswallungen anderer besänftigen, sind nicht nur für diese beglückend, sondern sie fördern auch die eigene Gesundheit und das eigene Lebensglück.
Manchmal wird einem durch das bewusste Schreiben, das bewusste Abschreiben solcher Sätze etwas bewusst.
So ging es mir gerade:
Lange war für mich eine Frage, was mit dem Gericht, mit dem Jüngsten Gericht, von dem in der Bibel gesprochen wird, gemeint sein könnte.
Taniguchi hält eine überraschende Antwort bereit, wenn er von dem Tag des Gerichts spricht, der m.E. identisch mit dem Jüngsten Gericht sein könnte: Es ist jener Tag, an dem wir ernten, was wir gesät haben.
Und es mag wohl sein: Jeden Tag ernten wir, was wir vor Jahren, vor Monaten, Wochen, vorgestern oder gestern gesät haben, je nachdem, wann jeweils die Samen reifen, im Guten oder Schlechten.
Deshalb wohl auch das so kryptische Attribut Jüngstes Gericht.
Es ist immer das, was uns als Nächtes erreicht. Jeden Tag also gehen unsere Samen der Vergangenheit in unserem Leben auf. Das Nächste, was wir uns selbst zuteil werden lassen durch unser Säen in der Vergangenheit ist immer das Jüngste.
Auf diesem Hintergrund gewinnen die Paulus-Worte, ohne Unterlass zu beten, vor allem, wenn sie so verstanden werden, wie es Taniguchi formuliert, eine existentielle, lebensentscheidende Bedeutung.
Mit jedem Tag und dem, was wir denken und tun, bestimmen wir auch unsere Zukunft.
Erfreulich, dass Menschen so sehr ihr Leben selbst in Händen halten!
Offensichtlich ist tatsächlich jeder seines (Un-)Glückes Schmied.
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