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Samstag, 10. August 2019

Warum Glaube unersetzlich ist? - Glauben ist dem Wissen immer einen Schritt voraus. – Glaube ist mehr als Sehnsucht. - Nur wer glaubt, kann lieben.

Wir leben in einer Zeit, in der manche Menschen immer bewusster leben. Bewusst zu leben, bewusst zu sein aber bedeutet, zum Wissen gelangen zu wollen. Wer sich etwas bewusst ist, der weiß. Von daher dachte ich für mich, dass das Wort des Paulus, den ich ansonsten sehr schätze, sich zu überholen beginnt, dass Glaube, Liebe und Hoffnung eine unersetzliche Trinitität für unser Leben sei.

Bis ich verstanden habe, was Glaube eigentlich ist.
Es ist der Glaube, der uns von Wissen zu Wissen zieht; jedes Wissen ist ja nur eine Etappe, eine Stufe. Wissen ist immer Stückwerk. Was wir als Wissen bezeichnen, ist immer nur ein Puzzleteil.
Wer keinen Glauben hat, erstarrt.

Wir kennen Menschen, die vermitteln, sie wüssten alles. Es gibt einige Wissenschaftler und Philosophen, die mir da spontan einfallen, natürlich auch nicht wenige Politiker. Zwar würden sie auf die Frage, ob sie alles oder viel wissen, immer ganz bescheiden sagen, dass sie sich natürlich dessen bewusst sind, dass … blablabla … , aber wenn man sie dann in Diskussionsrunden beobachtet, erlebt man, dass sie fast beleidigt reagieren, wenn jemand das, was sie sagen, anzweifelt, oder sie rücken, was sie sagen immer so zurecht, dass niemand auf die Idee kommen sollte, ihnen zu unterstellen, sie wüssten etwas nicht.
Das sind im  Grunde erstarrte Existenzen, oft eitel bis zum Geht-nicht-mehr.
Bei manchen gehört mittlerweile das Zugeben, etwas nicht zu wissen, zu einer Strategie, die vermitteln will, dass sie im Grunde doch alles wissen.

Mir ist auch bewusst geworden, warum mir das Christentum in seiner ursprünglichen Form, wie es die Evangelien vermitteln, so sympathisch ist, denn es ist nach dem Sohn benannt. Ein Sohn bedeutet immer Entwicklung. Das väterliche Bewusstsein ändert sich immer durch das Bewusstsein des Sohnes. Der christliche Gott ist eben kein Allah - deshalb finde ich es einfach nur falsch, wenn manche Leute sagen, dass es einerlei sei, ob man Gott oder Allah oder Brahman sage. Es ist eben nicht einerlei, denn Allah ist ein monolithischer unbeweglicher Block, der nicht von ungefähr unter Strafe gestellt hat, ihm einen Sohn zu unterstellen. In Allah ist nicht die Spur von Bewegung.
Der ein oder andere mag sagen, auch ein Muslim glaube.
Im christlichen Sinne aber glaubt er nicht, denn der christliche Glaube ist untrennbar mit der Bewegung des Sohnes verbunden.
(Ich muss bitte nicht schon wieder betonen, dass ich nichts gegen Muslime als Menschen habe . . .; aber ich erlaube mir zu betonen, dass ihr Glaube ein starrer ist; der Koran lässt daran keinen Zweifel. Und ich bedaure nach wie vor, dass die Christlichen Kirchen sich nie zu der besonderen Qualität ihres Glaubens bekannt und dafür gekämpft haben - heute denke ich, dass sie sich dieser Qualität nicht bewusst sind; vielleicht sind sie aber auch einfach total feige.)

Was Bewegung in unser Leben bringt, ist der Glaube.

Alle, die versucht haben, Glaubensbekenntnisse in Dogmen festzuzurren, haben das Wesen des Glaubens nicht verstanden.

Warum man nicht Glauben durch Sehnsucht ersetzen kann?

Sehnsucht ist eine Sucht - unsere Sprache ist da sehr klar und unmissverständlich. Und sie erklärt sich daraus, dass mit diesem Sehnen etwas Unbestimmtes verbunden ist, etwas, was einen irgendwo hinzieht. Wer Sehnsucht hat, gibt sich nicht von ungefähr gern auch einem diffusen Gefühl hin. Da erklingt das Posthorn, und bei Eichendorff springt zwar dann der Mensch im Fensterrahmen doch nicht aus selbigem, aber es zerreißt ihm schier das Herz - warum genau, das weiß er nicht - Sehnsucht halt, Ferne, Weite, ein Liebchen . . . (wobei in der ernsthaften Romantik sehr viel Wertvolles sich verbirgt).

Der Mensch, der glaubt, weiß, dass sein Sehnen - nicht seine Sehnsucht - verursacht ist durch einen Mangelzustand, den er sich zugesteht und sich seiner nicht schämt. Man muss diesen Zustand auch nicht als Mangel sehen, denn er gehört zu uns Menschen wie das halbleere Glas. Wir aber haben auch Fülle.

Glaube ist Voraussetzung für Liebe. Liebe bewegt und bewegt sich.

Eigentlich ist es so: nur wer glaubt, kann lieben.
Wenn er an sich selbst glaubt, kann er sich lieben.
Wenn er an den Anderen glaubt, kann er ihn als Nächsten lieben.

4 Kommentare:

Marikka Schaechtelin hat gesagt…

Lieber Johannes,
ich finde Deine Gedanken zu diesem Thema so wahr und Du hast es auch besonders gut in Worte gefasst. Mir ist beim Lesen die Bedeutung und die Tiefe des Glaubens nochmals richtig bewusst geworden und obwohl ich mir schon oft darüber Gedanken gemacht habe, hätte ich es, glaube ich, nie so treffend ausdrücken können, wie es Dir gelungen ist.
Besonders gefällt mir auch, wie Du mit den ganzen Irrtümern aufräumst und deutlich Position beziehst. Es ist schön, dass es Menschen wie Dich gibt, die nicht mit dem Strom schwimmen, sondern wirklich zur Quelle wollen und dies auch deutlich zum Ausdruck bringen.Das braucht sehr viel Kraft und die wünsche ich Dir auch weiterhin. Liebe Grüße Marikka

Johannes G. Klinkmüller hat gesagt…

Liebe Marikka,

Deinen Wunsch nehme ich gern an, denn leider gehört zu meinem Glauben der Zweifel. Ohne meine Zweifel, die mich immer mal wieder überfallen, wenn mir wieder mal etwas fragwürdig erscheint, fände ich Glauben nicht so wichtig. Ich bin immer froh, wenn ich mal wieder für eine Weile im Glauben-Können Fuß gefasst habe. Jeder ist eben auf seine Weise unterwegs. Weil ich eben auf obige Weise unterwegs bin, tun mir Deine Worte gut und ich freue ich mich über sie und danke Dir.

Liebe Grüße,
Johanes

Marikka Schaechtelin hat gesagt…

Lieber Johannes,

Gott sei Dank gehören zu Deinem Glauben auch die Zweifel. Wo wären wir ohne sie? Für mein Empfinden ist der Zweifel an uns, nicht an Gott und an der Schöpfung, ein Antrieb uns immer weiterzubewegen und uns auch weiterzuentwickeln.Eben nicht stehen zu bleiben und starr zu werden, wie Du es in Deinem, ich will es nochmal sagen, wirklich authentischen Text, auch zum Ausdruck gebracht hast.

Liebe Grüße Marikka

Johannes G. Klinkmüller hat gesagt…

Wenn der Zweifel nicht nur des Öfteren so ein ätzendes Gefühl in der Seele zur Folge hätte. Aber viel, vielleicht ganz viel von diesem Gefühl kommt bei mir auch sicherlich durch mein Elternhaus und das pietistische Umfeld meiner Jugend, wo Zweifel gleichsam die achte Todsünde waren, am Rand des Verlorenseins - eigentlich schon im Abrutschen begriffen.
Zweifel empfinde ich als "in Zwei gespalten". Aber Zweifel kommt von "zwei" und der indogermanischen Wurzel für "falten" (hab gerade nochmal nachgeguckt). Das klingt schon ganz anders und ich muss mir das bewusster werden lassen, denn "falten" ist eigentlich ein Vorgang der Ordnung und Kosmos bedeutet ja Ordnung, Schmuck. Es klingt zwar gewöhnungsbedürftig, aber man könnte ssagen, dass Zweifel ein kosmischer Vorgang sein könnte, ja ist.

Danke, liebe Marikka, für Deine Gedanken, die mir das, über Dein liebevolles Zuwenden hinaus, haben bewusst werden lassen.

Hab schöne Spätsommertage und sei lieb gegrüßt!
Johannes