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Mittwoch, 16. März 2022

Manche Menschen schreiben immer das Gleiche ...

Vielleicht weißt Du, was ich meine, wenn ich finde, dass manche Menschen immer das Gleiche schreiben. Man glaubt, eine Schablone drüberlegen zu können, man findet immer dasselbe esoterische Gedankengut, dieselbe Sicht auf bestimmte Punkte des Lebens, denselben Tonfall. Man spürt auch immer dieselbe Einschätzung sich selbst gegenüber, die Art der Selbstdarstellung …

Nicht bei allen ist es so, aber bei zu vielen.

Der Grund liegt im männlichen Ursprung des Schreibens (und Denkens): stringent, linear, selbstdarstellend.
Diese Art des Schreibens findet sich bei Mann und Frau.

Das Weibliche in uns schreibt anders:

Es schreibt aus der Situation heraus, erlaubt sich Gefühle (gerade auch dann, wenn die Männer-Fraktion sie gar nicht angebracht findet), denkt immer wieder mal gar nicht linear, sondern erlaubt sich Sprünge (und entschuldigt sich nicht einmal dafür), ist nicht einzuordnen und immer für Überraschungen gut, findet Kant und Konsorten ungenießbar, findet jeden akademischen Gestus lächerlich und lässt einfach unterschiedliche geistige Ideengeber ran, was manchmal so aussieht, als ob zwei oder drei Autoren einen Text geschrieben hätten - die Einflüsterungen aus der geistigen Welt können eben höchst unterschiedlicher Natur sein …


Es soll sogar Menschen geben, die zwischen männlichem und weiblichem Schreiben wechseln können oder beides miteinander zu verbinden und verwenden vermögen.

Nur so viel: Thomas Mann gehört [für mich] nicht dazu, auch kein Bertolt Brecht, Schiller für mich in Ansätzen, dagegen ein Goethe ganz sicher und ein Ödön von Horváth, immer wieder auch ein Max Frisch …
Es sind die Autoren, die einen Freiraum lassen, in den beim Lesen der eigene Geist reinkommen kann; nicht alles ist ausgedappt bis zum Geht-nicht-Mehr, sondern es bleiben Lücken, Frei-Räume, Frei-Zeiten, Zeiten für Freiheit.

Jedenfalls bin ich über Menschen froh, die mich immer mal wieder überraschen … es tut unserer Erde so gut, wenn die Menschen unberechenbar sind, nicht aus Berechnung (das, ehrlich gesagt, finde ich schrecklich), sondern weil ihr Geist das freie Denken und Fühlen und Leben übt …

In einer Sprechstunde saß mir einmal eine Mutter gegenüber und sagte ganz stolz: „Wissen Sie, ich bin für mein Kind unberechenbar.“

Armes Kind.

Ich habe mir erlaubt, ihr zu sagen, wie es meinem Dafürhalten nach ihrem Kind gehen mag.

Der Erwachsene dagegen darf ruhig unberechenbar sein für sich, nicht durchgehend, aber immer wieder, damit aus dem Weiblichen, aus dem Dunkel des Weiblichen sich Dinge ans Tageslicht trauen.
Dem Männlichen ist das zuwider. Warum dieses Risiko einer Konfrontation mit dem Unberechenbaren in sich? Das muss nicht sein.
Lieber schiebt man den Stein des Sisyphos über viele Leben in derselben Furche nach oben … und in derselben rollt er nach unten …

Irgendwann nutzt der Stein sich ab; das kann Millionen von Jahre dauern ..

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