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Freitag, 25. November 2022

"Die Leidenschaft bringt Leiden!" - Lebenserfahrung als Zugangsmöglichkeit zu geistiger Realität.

Uns allen kann Goethe ein Vorbild darin sein, wie man Lebenserfahrungen nützen kann, um Zugang zu dem zu gewinnen, was sich als mögliche geistige Erkenntnis hinter ihnen verbirgt. Goethe hat ja auf dem Hintergrund seiner Liebschaften immer wieder vor allem in Gedichten formuliert, was sich an seelischem Gewinn für ihn aus ihnen ergeben kann; nicht, dass er das lehrerhaft bewusst getan hätte, doch vermischte sich da auf segensreiche Weise sein Genius mit dem Menschen Johann Wolfgang. 

Das vielleicht bekannteste Beispiel ist die Marienbader Elegie, die in einem hohen geistigen Zentrum inmitten der Elegie erfasst, was unser Leben so zu bereichern vermag. Dazu ein andermal mehr.

Ein wunderbares Zeugnis aber ist auch ein Gedicht, das beginnt mit:“Die Leidenschaft bringt Leiden“ - überschrieben ist es mit „Aussöhnung“.
In Marienbad hatte Goethe in der Musik Trost gefunden. Anna Milder-Hauptmann hatte gesungen, vor allem aber hatte es Goethe eine 28-jährige polnische Pianistin angetan, Maria Szymanowska, berühmt aufgrund der Virtuosität ihres Spiels - und ihrer Schönheit. Dann für 10 Tage zu Gast in Goethes Haus, speisen sie jeden Tag zusammen und sie spielt für ihn. Sie faltet ihn auseinander, wie man eine geballte Faust freundlich flach lässt, so gesteht er seinem Freund Zelter. Der Abschied ist herzzereißend. Die Szymanowska erscheint in schwarzem Kleid. Goethe bricht in Tränen aus, kann kaum an sich halten, blickt ihr fassungslos nach. Was sich in dem über 70-Jährigen abgespielt haben mag, bringen die folgenden Zeilen zum Ausdruck, die er der jungen Frau ins Poesiealbum geschrieben hatte:
Die Leidenschaft bringt Leiden! -- Wer beschwichtigt
Beklommnes Herz, das allzuviel verloren?
Wo sind die Stunden, überschnell verflüchtigt?
Vergebens war das Schönste dir erkoren!
Trüb' ist der Geist, verworren das Beginnen;
Die hehre Welt wie schwindet sie den Sinnen!
Da schwebt hervor Musik mit Engelschwingen,
Verflicht zu Millionen Tön' um Töne,
Des Menschen Wesen durch und durch zu dringen,
Zu überfüllen ihn mit ew'ger Schöne:
Das Auge netzt sich, fühlt im höhern Sehnen
Den Götter-Werth der Töne wie der Thränen.
Und so das Herz erleichtert merkt behende,
Daß es noch lebt und schlägt und möchte schlagen,
Zum reinsten Dank der überreichen Spende
Sich selbst erwidernd willig darzutragen.
Da fühlte sich -- o daß es ewig bliebe! --
Das Doppel-Glück der Töne wie der Liebe.
Wenige Tage später wird er auf den Tod krank. Zelter diagnostiziert die Krankheit:„Lieb im Leib“. Eine Zeitlang muss er dem Patienten jeden Tag die Marienbader Elegie vorlesen. Goethe muss seine Liebe zu Ulrike Levetzow verarbeiten. Über Maria Symanowska aber sagt er später zu Kanzler Müller, dass diese Frau ihn sich selbst wiedergegeben habe.
Selig, wer Gefühle so leben darf und kann!

4 Kommentare:

Anonym hat gesagt…
Der Kommentar wurde von einem Blog-Administrator entfernt.
Anonym hat gesagt…

Der Mensch dessen tiefe Verbindung der seele man zueinander erfahren, so scheint es vergisst man nie. Es bleiben nur Erinnerungen an eine Illusion und man nicht mehr weiß, was davon wirklich wahr gewesen ist.
Das grösste allerdings, hab ich es für einen Sommer lang in meinem Herzen getragen

Anonym hat gesagt…

Ich spüre das jede Form von Liebe oder gar die Gene einem übertragen werden und man auch selbst aus seinem Speicher übertragt. Und vielleicht war es eine illusion, da mein gegenüber mir nicht die Wahrheit gesagt.
Und ja, hier darf ich akzeptieren, auch vergeben und danke sagen

Johannes G. Klinkmüller hat gesagt…

🌺