Seiten

Donnerstag, 17. November 2022

Und er zog irrend weiter. Über einen biblischen Volltrottel.

In der Bibel lesen wir von dem 12-jährigen Jesus im Tempel, dass er nämlich seine Umgebung durch seine Weisheit verblüffte und ihn seine Eltern, die ihn suchten, zunächst dort gar nicht erkannten; dann taucht er in den Evangelien erst wieder anlässlich der Jordantaufe durch Johannes auf.

Rudolf Steiner nun widmet sich in seinem Fünften Evangelium dieser Zwischenzeit und wie Jesus sich zu dem Lehrer der Menschheit entwickelte, als den wir ihn kennen. Wir lesen beispielsweise, dass er sehr vertraut war mit der Lehre der Essäer, sich dann aber von ihrer Weise, mit den Herausforderungen dunkler Kräfte umzugehen, distanzierte, erkannte er doch, dass sein Weg der war, sich mit diesen auseinanderzusetzen und dadurch wertvolle Erkenntnisse zu erlangen und ein kraftvolles Wesen.

Im Zusammenhang mit diesem Findungsweg wird eine Episode erzählt, in deren Rahmen Jesus auf eine Seele trifft, der er vor hunderttausenden von Jahren schon einmal begegnet ist, die im aktuellen Leben hohe Ämter begleitet hat und die selbst durch eine Begegnung mit Jesus nicht zu einem Richtungswechsel und auf den wahren Weg kommt. Voller Verzweiflung läuft sie weiter.

Wie gut, möchte man sagen, wenn man keine hohen Ämter begleitet oder ein Amt, das einen von wahrer Demut entfernt. Aber das schützt nicht unbedingt:


Mich hat etwas im Rahmen meiner Lieblingsgeschichte vom Kranken am Teich Bethesda (Joh. 5, 1ff) echt erschüttert: Der Kranke hatte es nie geschafft, rechtzeitig ins Wasser des Teiches zu kommen, wenn ein Engel das Wasser berührt hatte. Da kommt Jesus und heilt ihn, einfach so. Und er gibt ihm einen Hinweis mit auf den Weg: Sündige nicht mehr.
Das ist leichter gesagt als getan und was Jesus m.E. meinte, ist: Sei achtsam! Richte Deinen Geist gut aus!
Was macht der Volltrottel: Anstatt Jesus total dankbar zu sein, verpfeift er ihn absolut ohne Not bei den ´Juden´, wie es im Evangelium heißt, die wissen wollten, wer am Sabbath geheilt habe.
Für mich ist klar, dass ihn die oder eine andere Krankheit recht schnell wieder einholen wird.

Ich bin, so viel ist sicher, auch schon des Öfteren ein Volltrottel gewesen, aber wenn ich, wie im Folgenden, lese:“Und er zog seines Weges irrend weiter“, dann macht mich das betroffen. Wie gefährlich sind doch Hochmut und Selbstgefälligkeit:

"Als nun der Jesus von Nazareth auf diesem Wege zum Jordan hin, auf den er getrieben worden war, eine Weile weiterging, begegnete er einer Persönlichkeit, von der man sagen kann: in ihrer Seele war tiefste Verzweiflung. Ein Verzweifelter kam ihm in den Weg. Und der Jesus von Nazareth sagte: Wozu hat deine Seele dich geführt? Ich habe dich vor Äonen gesehen, da warst du ganz anders. - Da sprach der Verzweifelte: Ich war in hohen Würden; ich bin im Leben hoch gestiegen. Viele, viele Ämter habe ich durchlaufen in der menschlichen Rangordnung, und schnell ging es. Da sagte ich mir oftmals, wenn ich sah, wie die anderen in ihren Würden zurückblieben, und ich hochstieg: Was für ein seltener Mensch bist du doch; deine hohen Tugenden erheben dich über alle anderen Menschen! Ich war im Glück und genoß voll dieses Glück. - So sagte der Verzweifelte. Dann fuhr er fort: Dann kam mir einmal schlafend etwas vor wie ein Traum. Im Traume war es, wie wenn eine Frage an mich gestellt würde, und dann wußte ich gleich, daß ich mich im Traume selber schämte vor dieser Frage. Denn die Frage, die da an mich gestellt wurde, war die: Wer hat dich groß gemacht? - Und ein Wesen stand vor mir im Traume, das sagte: Ich habe dich erhöht, doch du bist dafür mein! - Und ich schämte mich; denn ich glaubte, nur meinen eigenen Verdiensten und meinen Talenten die Erhöhung zu verdanken. Und jetzt trat mir - ich fühlte, wie ich mich im Traume schämte - ein anderes Wesen entgegen, das sagte, daß ich kein Verdienst hätte an meiner Erhöhung. Da mußte ich im Traume vor Scham die Flucht ergreifen. Ich ließ alle meine Ämter und Würden hinter mir und irre herum, suchend und nicht wissend, was ich suche. -So sprach der Verzweifelte. Und als er noch so sprach, stand das Wesen wieder vor ihm, zwischen ihm und dem Jesus von Nazareth, und deckte mit seiner Gestalt die Gestalt des Jesus von Nazareth zu. Und es hatte der Verzweifelte ein Gefühl, daß dieses Wesen etwas mit dem Luziferwesen zu tun habe. Und während das Wesen noch vor ihm stehenblieb, entschwand der Jesus von Nazareth, und dann verschwand auch das Wesen. Dann sah aber der Verzweifelte bereits in einiger Entfernung, daß Jesus von Nazareth vorübergegangen war, und er zog seines Weges irrend weiter." (GA148, S. 158 ff)

Keine Kommentare: