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Samstag, 17. Mai 2008

Mütter: Meine Mutter

Ich veröffentliche diesen Post, weil ich glaube, dass es manchem anderen ähnlich gegangen ist wie mir im Hinblick auf seine Kindheit. Unsere Eltern hatten keinen Zugang zu den Forschungen und dem Wissen, das uns heute über die Seele des Menschen zur Verfügung steht und die Basis für eigene Betrachtungen sein kann. Diejenigen, die über sie geforscht haben – heißen sie Freud, Jung, Adler, Piaget, Lowen, Bradshaw und viele andere -, zeichnet ein notwendiger Respekt und eine gewisse Demut aus im Hinblick auf das, was wir Seele nennen. Diese Haltung teile ich. Und ich stehe auch voller Respekt und Wertschätzung meinen Eltern gegenüber und dem, was sie leisten konnten.
Wenn ich hier über sie und mich schreibe, dann deshalb, weil ich es für unsere eigene Entwicklung wichtig finde, dass wir uns mit dem Beginn unseres Lebens auseinandersetzen. Gerade auf dem Hintergrund der Entdeckung der Spiegelneuronen sehen wir, wie bedeutsam es ist zu erkennen, was überhaupt sich in uns spiegeln kann. – Dazu möchte ich Mut machen und anregen.
Es ist nun schon eine Weile her, dass meine Mutter in das Leben nach dem Leben gewechselt ist und wenn ich heute auf ihr Leben zurückblicke, verstehe ich einige ihrer Verhaltensweisen und Reaktionen und ich bin ihr für vieles, unter dem ich als Kind sehr litt, nicht mehr gram.
Als Jüngste von acht Kindern in einer Bauernfamilie hatte sie es nicht leicht. Immer hat sie in ihrem Leben auf den Märchenprinzen gehofft, der sie aus ihrer Familie herausholen sollte, und als mein Vater diese Rolle übernahm, inszenierte sich einmal mehr das Märchen vom Froschkönig und der Prinzessin, nur dass es kein glückliches Ende fand. Was Freude am Leben ist, durfte meine Mutter kaum erfahren und obwohl sie viel von dem Leid, das ihre Seele in ihrer Kindheit erfahren musste, an ihre Kinder weitergab, liebe ich sie heute; sie hat mir für mein Dasein auf der Erde das Wertvollste geschenkt: mein Leben.
Lange war mir nicht bewusst, was meine Mutter mir alles nicht mitgegeben hat; gerade auf dem Hintergrund des Wissens über die Bedeutung der Spiegelneuronen und wie sehr uns frühkindliches Verhalten prägt, ist dies ja besonders wichtig zu wissen. Es zu erkennen, ist deshalb so schwer, weil man ja selten um einen Mangel weiß. Wenn man etwas nie besessen hat, fällt einem nur schwer auf, was einem fehlt. Fehlt einem z.B. die Fähigkeit zu wahrer Freude, dann hält man die eigene für den Limitbereich und neigt dazu, andere, die mehr Freude zeigen und empfinden können, beispielsweise als kindisch abzuqualifizieren, fehlt einem Selbstliebe, dann qualifiziert man Menschen, die sie haben, gern als arrogant ab.
So fällt der ehrlich-analytische Blick auf das eigene Inventar nicht leicht.
Es kommt hinzu, dass man um seine eigene Unzulänglichkeit eigentlich nicht wissen will. Wer will schon wissen, dass das eigene Inventar an Gefühlen eher spärlich war, dass die eigenen Eltern einem weitergegeben haben.
Zudem stellt sich die Frage, ob man denn, was einem fehlt, überhaupt sich aneignen kann.
> Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr. <
Dieser Satz mag im Bereich des Körperlichen zutreffen. Wenn jemand mit 5 oder 8 Jahren seine Rollen auf dem Boden nicht gelernt hat oder auch einen Salto, ist es ziemlich sicher ungünstig, wenn er mit 50 meint, sich nun als Turner beweisen zu müssen.
Wie sieht es im seelischen Bereich aus?
Für mich gilt der Satz von Hänschen und Hans da nicht, und der Schlüssel ist die Aussage Jesu:
> Wenn ihr nicht werdet wie die Kinder …. <

Also ist es möglich, wieder ein Kind zu werden …
Ist es dann auch möglich, neuronale und seelische Prägungen vorzunehmen wie in einer Kinderseele?
Dazu sage ich > Ja <.
Nur gibt es ein Problem: Wo die Selbstliebe hin sollte, da sitzt der Selbsthass.
Wo die tiefen Gefühle sein sollten, da hocken die flachen und gaukeln einem womöglich vor, wie tief man lieben und Wärme geben und herzlich sein kann. Und wer gesteht sich schon gerne ein, dass er weniger ein Meister des Mitleids als vielmehr des Selbstmitleids ist, mehr verkopft als beherzt ist …
Froschkönige und Prinzessinnen haben oft ein großes Ego, sind beispielsweise Narzissten par excellence, aber von ihren wahren Gefühlen, von ihrem wahren Selbst sind sie weit entfernt.
Zwei Voraussetzungen, sich neu zu prägen, möchte ich ansprechen:
Eine Voraussetzung sind Freunde, oft mag es ein einziger Freund, eine Freundin sein, die ehrlich sind und vor der Wahrheit nicht zurückschrecken; dieses Glück hatte ich und habe ich.
Ich erinnere mich, dass ich von einer lieben Freundin eine Karte erhielt, als ich innerlich erheblich grummelte, weil sie mir etwas schwer Verdauliches gesagt hatte, doch war es so, wie sie sagte:
> Verletzt ist nur Dein Ego, Dein wahres Selbst kann niemand verletzen. <
Und sie schickte mir diese Karte:

Eine Freundin, ein Freund muss sagen können:
Ich vermisse, dass Du Dich mitfreust …

Bade nicht dauernd in Deinem Selbstmitleid …
Hör auf, andere ständig zu bewerten – und Dich!
Das ist eine Seite echter Freundschaft, dass Schwächen des anderen, wenn es angebracht ist, schonungslos aus der Schonung getrieben werden …
Claqueure, die unser Ego verstärken, gibt es genug; sie nennen sich Freunde, sie sind es aber nicht. –
Freunde sagen natürlich genauso von Herzen gern und ohne Neid, wenn ihnen etwas an uns gefällt.
Eine weitere Voraussetzung, die ich noch nennen möchte, ist staunen zu können wie ein Kind.
Ich schließe mich den Worten Albert Einsteins an:
Das Schönste, was wir erleben können, ist das Geheimnisvolle. Es ist das Grundgefühl, dass an der Wiege von wahrer Kunst und Wissenschaft steht. Wer es nicht kennt und sich nicht mehr wundern, nicht mehr staunen kann, der ist sozusagen tot und sein Auge erloschen.
Wer staunen kann, kann Dinge auf eine neue Art und Weise wahr-nehmen, als Wahrheit annehmen.
Dann findet eine Neu-Prägung statt.



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