Gerade lese ich über Paul Celan, aus dessen Todesfuge obiges Zitat stammt, dass er, als er im Dezember 1947 aus Rumänien nach Wien übersiedelte, wohl, um zu verhindern, auf Dauer zum Sowjetbürger zu werden, sich von Österreich schwer enttäuscht fand. Jenes Land, welches er mit Namen wie Trakl und Rilke, Kafka und Schnitzler, Hofmannsthal und Kraus, Musil und Broch verband, zeigte sich ihm provinziell und mit einem fortlebenden Faschismus. Kein Wunder, dass es ihn im Juli 1948 weiter nach Paris zog, jener Stadt, deren Fluss ihm 22 Jahre später ein nasses Grab gewähren sollte, das er freiwillig wählte.
Zurück zu Österreich und dem fortlebenden Faschismus:
Es war im Winter 1974, dass mein Freund Jürgen und ich Skiurlaub in Österreich machten auf einer Hütte mitten in den Bergen. Zu Sylvester waren wir von Österreichern auf ihre Hütte eingeladen worden; dort wollten diese mit Freunden und Bekannten in größerer Runde das Neue Jahr begrüßen.
So machten wir uns in der Dunkelheit auf den gut eine halbe Stunde dauernden Fußweg durch die verschneite Bergwelt und waren richtig froh, als wir erkannten, die Hütte gefunden zu haben.
Man hatte uns wohl kommen sehen. Denn als wir gut gelaunt die Türe öffneten, saßen die Anwesenden uns zugewandt, um den Clou zu genießen, den zwei Männer sich ausgedacht hatten; uns Deutschen wollten sie eine besonderes Vergnügen bereiten: Sie saßen da, der eine mit unverkennbar aufgemaltem Hitler-Schnauzer und notdürftig zurechtfrisierter Hitlerfrisur, der zweite mit einer unverkennbar originaleren Frisur, dafür schlechterem Oberlippenbart ...
Ich sehe noch die Augen vor mir, die auf uns gerichtet waren, voller Erwartung, wie wir reagieren würden und bereit, samt ihren stolzen Eignern in schallendes Gelächter auszubrechen.
Doch wir erfüllten die Erwartungen nicht. Ich weiß noch wie heute, wie sehr Jürgen und mir die Gesichtszüge entgleisten, ja, ich konnte kaum mein Entsetzen verbergen über diese Geschmacklosigkeit, zwei jugendliche Nachkriegsdeutsche auf diese Weise zu begrüßen.
Wir blieben nicht sonderlich lange.
Ich weiß noch, wie lange ich innerlich den Kopf schütteln musste über diese unerwartete Tatsache, dass auf so einer Hütte in den Bergen solches Gedankengut noch so lebendig war.
Dies alles geschah nur wenige Jahre - das wird mir heute bewusst, da ich zu Celans Todesfuge schreibe -, nachdem dieser Dichter in der Seine Selbstmord beging.
Dieser jüdisch-bukowinische Dichter mit französischen Pass wusste, warum er zeitlebens Deutschland vermied und Österreich schneller, als ihm selbst lieb war, wieder verließ.
Ihn würde der Neofaschismus, den es im Osten Deutschlands in viel größerem Ausmaß gibt, als die Medien es sich erlauben, darüber zu schreiben, noch einmal töten.
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