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Samstag, 29. Dezember 2007

* S E L B S T L I E B E *




* S E L B S T L I E B E *

Wie gewinne ich Zugang zu ihr?
Worin zeigt sie sich?

Ich möchte zunächst sagen, mit was sie beginnt.

Sie beginnt mit einer Entlassung.

Einer Entlassung aus dem Gefängnis.

Aus dem Gefängnis der eigenen Bilder.

Das zweite der Zehn Gebote bezieht sich nicht nur auf Gott, wenn es heißt:

Du sollst dir kein Bildnis noch irgendein Gleichnis machen ...

denn es heißt ausdrücklich:

… weder von dem, was oben im Himmel, noch von dem, was unten auf Erden, noch von dem, 
was im Wasser unter der Erde ist.

Auch nicht von dem, was auf der Erde ist! Es gilt eben, wie es im Vater unser schon heißt, vieles wie im Himmel so auf Erden.

Kein Bildnis!

Sich kein Bildnis machen, auch nicht von den Erdenbewohnern!

Max Frisch hat dazu in seinem Tagebuch 1946-1949 einen eingebungsvollen Text geschrieben, der sich darauf bezieht, wie sehr die Liebe zu einem anderen abhängig ist von dem Bild, das man sich von ihm > nicht < macht!

Es ist bemerkenswert, dass wir gerade von dem Menschen, den wir lieben, am mindesten aussagen können, wie er sei. Wir lieben ihn einfach. Eben darin besteht ja die Liebe, das Wunderbare an der Liebe, dass sie uns in der Schwebe des Lebendigen hält, in der Bereitschaft, einem Menschen zu folgen in allen seinen möglichen Entfaltungen. Wir wissen, dass jeder Mensch, wenn man ihn liebt, sich wie verwandelt fühlt, wie entfaltet, und dass auch dem Liebenden sich alles entfaltet, das Nächste, das lange Bekannte. Vieles sieht er wie zum ersten Male. Die Liebe befreit es aus jeglichem Bildnis. Das ist das Erregende, das Abenteuerliche, das eigentlich Spannende, dass wir mit den Menschen, die wir lieben, nicht fertig werden: weil wir sie lieben; solang wir sie lieben. Man höre bloß die Dichter, wenn sie lieben; sie tappen nach Vergleichen, als wären sie betrunken, sie greifen nach allen Dingen im All, nach Blumen und Tieren, nach Wolken, nach Sternen und Meeren. Warum? So wie das All, wie Gottes unerschöpfliche Geräumigkeit, schrankenlos, alles Möglichen voll, aller Geheimnisse voll, unfassbar ist der Mensch, den man liebt - Nur die Liebe erträgt ihn so.


Wenn ich im Unterricht begreifbar machen möchte, was Selbstliebe bedeutet, dann lasse ich obigen Text so schreiben, dass jeder ihn auf sich selbst bezieht, ihn also in Ich-Form neu fasst.

Jedes Mal auf´s Neue bin ich ergriffen, wenn ich ihn auf mich beziehe:

Es ist bemerkenswert, dass ich gerade von mir, dem Menschen, den ich liebe, am mindesten aussagen kann, wie ich bin. Ich liebe mich einfach. Eben darin besteht ja die Liebe, das Wunderbare an der Liebe, dass sie mich in der Schwebe des Lebendigen hält, in der Bereitschaft, mir zu folgen in allen meinen möglichen Entfaltungen. Ich weiß, dass jeder Mensch, wenn ich ihn liebe, sich wie verwandelt fühlt, wie entfaltet, und dass auch mir, dem also, der sich selbst liebt, sich alles entfaltet, das Nächste, das lange Bekannte. Vieles sehe ich wie zum ersten Male. Die Liebe befreit mich aus jeglichem Bildnis.

Das ist das Erregende, das Abenteuerliche, das eigentlich Spannende, dass ich mit mir, dem Menschen, den ich liebe, nicht fertig werde: weil ich mich liebe; solang ich mich liebe. Man höre bloß die Dichter, wenn sie lieben; sie tappen nach Vergleichen, als wären sie betrunken, sie greifen nach allen Dingen im All, nach Blumen und Tieren, nach Wolken, nach Sternen und Meeren. Warum? So wie das All, wie Gottes unerschöpfliche Geräumigkeit, schrankenlos, alles Möglichen voll, aller Geheimnisse voll, unfassbar bin ich für mich, für mich, den Menschen, den ich liebe - Meine Liebe trägt mich so.


Da ist kein >so bin ich eben<, kein >das ist halt typisch für dich< !

                                   Die Liebe befreit aus jeglichem Bildnis. 

Ich gebe mir die Freiheit, mich hinzuentwickeln, wohin ich will. Da gibt es keine Krusten, keine selbstinszenierten Blockaden, kein Selbstmitleid, das zäh an mir klebt und mich sagen lässt: Das schaffe ich nie.

                                              * Liebe liebt selbst Liebe *

... selbst-verständlich ist das noch nicht ...
... man muss dazu sein Selbst verstehen ...
... man versteht es, wenn man selbst-verständlich zu sich steht, mit allem, wie und was man ist und Geduld mit sich hat und sich Zeit gibt.

Es darf und wird Jahre dauern. Gemessen an der Tatsache, dass manche sich ein Leben lang nicht wandeln, sind viele Jahre Geduld mit sich wert.

Die Toten, die Verstorbenen, sind sehr lebendig, wenn das viele auch nicht glauben wollen.

Es ist gut, wenn wir auch als Lebende wirklich lebendig sind, bereit, mit uns in alle Richtungen zu gehen.


Samstag, 22. Dezember 2007

... mit den Hirten gehen ... Weihnachten 2007

"Einhorn mit Marienkapelle".
Dieses Weihnachtsgeschenk, ein Scherenschnitt, entstammt den künstlerischen Händen einer lieben früheren Kollegin. - Und ihrem Herzen!
Mit ihrem Einverständnis darf ich es veröffentlichen.


Weihnachten, wie ich es 2007 erlebe, ist Weihnachten aus der Sicht der Hirten.

Auf den Gemälden der großen Meister finden wir Maria und Joseph, dazu das Kind in der Krippe liegend, und bisweilen sieht man noch die Tiere, den Ochsen und den Esel …
Bisweilen ist die Krippe gebettet in einen Strahlenkranz von Licht, dessen Quelle von dem Kind ausgeht.
In dem Stall befindet sich wenig, kaum sehen wir Gegenstände, die den Blick anziehen oder verstellen könnten.
Wäre Jesus in einem Palast geboren worden, so hingen schwere Leuchter von der Decke, Joseph säße auf einem Plüschsofa, ein Butler stünde im Hintergrund und Maria fänden wir bemuttert von einer Hebamme.
Nichts von alledem.
Im Mittelpunkt: das Kind, gebettet in Licht, selbst Licht.
In der Schöpfungsgeschichte wurde das Licht geschaffen und trat in das Bewusstsein der Schöpfung, in Bethlehem wurde es geboren, auf die Erde gebracht durch den Schoß einer Frau: Maria. In einem Stall.
Unangemessen für Jesus?
Gewiss nicht, denn:
Das Wort Stall entstammt der gleichen indogermanischen Wurzel wie das Wort still.
Der Stall an sich ist also schon von der Wortbedeutung her ein stiller Raum.
In der Stille dieses stillen und natürlichen Raumes und einer Nacht, die dadurch heilig wurde, konnte Jesus geboren werden.
Wer aber vermag die Bedeutung der Stille zu erfassen?
Es sind die Hirten, auch des Nachts hüten sie ihre Herde.
Auch nachts!
Nacht steht für das Unbewusste im Menschen, und da, wo bei so vielen verdrängte Gefühle toben und grollen, da sind auch Hirten friedlich, im Frieden mit sich. Umgeben von ihren Schafen.
Jedem von uns kann dieses Hirtenbewusstsein zuteil werden, doch nur wenige können es leben.
Warum?
Weil vielen von uns ihre Schäfchen, ihre Lämmer abhanden gekommen sind.
Schafe stehen für das Wichtigste, was ein Mensch haben kann.
Unsere Lämmer, unsere Schafe versinnbildlichen unsere Liebe. Wie Schäfchen braucht unsere Liebe Vertrauen in uns und wir vertrauen ihr. Wie Schäfchen sich aneinander kuscheln und sich Wärme geben, so kuscheln wir uns an unsere Liebe, und sie wärmt uns in einer kalten Nacht. Schäfchen frieren nicht.
Es ist phaszinierend zu beobachten, was eine Schafherde, die auf einmal hinter der Biegung einer Straße auftaucht, in den Menschen auslöst.
Das ist gewiss kein Zufall.
Es hängt mit der Symbolik der Schafe zusammen, die wir alle intuitiv spüren.
Wir sehen das Bild vor uns: Der Schäfer steht aufrecht inmitten seiner Schafe, in eins mit seinem Schäferstab, seinen Mantel um sich gelegt neben sich seinen Schäferhund – ein Bild der Ruhe, des Friedens, des Vertrauens, des Versöhntseins mit dem Leben, mit der Natur.
Der Schäfer, das ist das Selbst jedes Menschen, und um sich versammelt hat er seine Lieben, seine Liebe. Ein Bild wahrer, tiefer Frömmigkeit, wir sprechen von lammfromm. Und wenn wir es recht verstehen, bedeutet, fromm wie ein Lamm zu sein, das Bekenntnis zum Weg Jesu.
Jesus ist der gute Hirte und dieser Hirte ist der Archetypus des Heilands in uns, für den das Leben heil ist. - Dieser Schäfer mit seinen Schäfchen, das ist in uns, ist der Frieden unserer Seele.
Viele Menschen jedoch empfinden ihr Leben als heillos. Nur mühsam kitten sie die Risse, aus denen die Heillosigkeit herausdampfen will. In ihnen gibt es diesen Schäfer mit seiner Herde nicht, in ihnen gibt es nur diese große Sehnsucht, heil zu sein.
Wir haben unsere Schafe verloren, zumindest einen Teil von ihnen. Oft sind sie weggetrieben von nahen Verwandten, ja von Vater oder Mutter.
Kaum zu glauben , aber wahr: Die meisten und größten Räubereien und Diebstähle finden in den Familien statt!
Nicht selten finden wir in Familien Kinder, die – verglichen mit Geschwistern - einer verwelkten Blume ähneln, denen es jedenfalls bei weitem nicht so gut geht wie Bruder oder Schwester.
Da wird der eine Sohn ein erfolgreicher Kaufmann, der andere ist Alkoholiker, die eine Tochter ist Schulleiterin, eine andere hat das Studium abgebrochen und hat den Beruf ergriffen, der letztendlich übrig blieb.
Oder die Mutter ist eine erfolgreiche Politikerin, doch das eine Kind ist ständig krank, das andere schmeißt seine Lehre.
Mittlerweile wissen wir auf Grund von Familienaufstellungen und einem Zugang zu seelischem Wissen, wie sehr im Leben der Menschen solche Vorkommnisse Realität sind und womit sie zusammenhängen.


Es ist noch nicht so lange her, dass ich mir selbst in meiner Familie meine Schafe zurückgeholt habe, und es geht nicht anders, als allen Beteiligten gegenüber klipp und klar offenzulegen, wie vergangene Familienwirklichkeiten Einfluss nahmen. Wenn wir beim Namen nennen, was geschehen ist, wenn wir ans Tageslicht holen, was im Dunkeln munkelt, kann eine Umverteilung stattfinden. Im Licht kann alles seinen richtigen Ort, seinen Stellen-Wert finden. Wir müssen darauf bestehen und der Dreistigkeit Einhalt gebieten. Wir tun ja sogar denen, die wie ein Dieb in der Nacht Schäfchen entwendeten, einen Gefallen, wenn sie auch zetern, denn:
Niemand wird mit fremden Schäfchen glücklich. Warum aber holen sich dennoch Menschen fremde Schafe? Treiben dem Bruder oder der Schwester die Schäfchen weg, nehmen sich vom Familienkuchen viel mehr, viel mehr an Energie, als ihnen zusteht?
Warum horten Menschen Macht?
Warum horten sie Geld, während andere darben?
Wo doch das letzte Hemd keine Taschen hat …
Genau deshalb tun sie es. Das Mehr soll das Meer ersetzen.
Wofür steht das Meer?
Für das umfassende Sein. Es umfasst auch Leben und Tod. Wozu noch >mehr
Das Wasserelement steht für den Gefühlsbereich des Menschen, das Meer mithin für die Fülle wahrer Gefühle, wahren Lebens, für Selbstliebe und Nächstenliebe.
Niemand braucht in sich ein zweites Meer.
Wer keine Selbstliebe hat, hat seine Schafe nicht bei sich, er hat sie verloren. Deshalb braucht er fremde Schafe. Aber es sind nicht seine!
Die fremden Schafe stehen für dieses Mehr. Mehr haben wollen. Immer mehr.
Doch kein fremdes Schaf kann auch nur einen Tropfen der Fülle des eigenen Meeres ersetzen. Des Meeres, das für umfassendes Fühlen steht. Wir verstehen, was es bedeutet, wenn Franz Kafka von dem ´gefrorenen Meer in uns´ spricht; er spricht von seinem eigenen. Wenn wir seine Romane, Erzählungen und Parabeln lesen, verstehen wir, wie ein gefrorenes Meer sich liest.
Die Hirten in der Nacht hüten IHRE Herde!
Es ist arrogant zu glauben, Hirten seien ungebildete Leute gewesen.
Sie waren voller Kraft und Bewusstsein. Sie waren voller Selbstliebe.
In diesem Bewusstsein hätten Menschen die Liebe nicht ans Kreuz genagelt.
Hirten waren Hüter ihrer eigenen Herde und nur deshalb konnten sie zu Hütern dieser Herrlichkeit der Heiligen Nacht und zu deren Verkünder werden.
Nur wer sich selbst liebt, ist in der Lage, die wahre Liebe zu erkennen.
Nur wer seine eigene Herde weidet, zu dem kann Jesus, wie am Ende des Johannes-Evangeliums geschehen, sagen:
"Weide meine Lämmer!"
Lämmer können Worte der Herrlichkeit sein, Taten der Liebe, Gebete für den Nächsten.
Vor allem aber stehen die Lämmer, die jeder Hirte sein eigen nennt, für Selbstliebe.
Liebe Deinen Nächsten wie Dich selbst.
Ohne Selbstliebe, ohne die eigenen Schäfchen geht das nicht!
Nur wer sich selbst liebt, steht nicht in Gefahr, die Liebe Gottes zu missbrauchen, ein Missbrauch, der nicht nur in Familien, sondern auch in den Amtskirchen immer wieder geschieht, wenn Ehre einem Menschen oder einer Gruppe von Menschen gezollt wird anstatt Gott.
Hirten konnten in der Heiligen Nacht staunen, glauben und höheres Wissen weitergeben aus obigem Grund.
Wer keine Selbstliebe hat, verheimlicht Liebe, entzieht Liebe, entzieht Freude, verheimlicht Freude.
Wer genug Liebe hat, lässt andere Anteil haben, will weitergeben, will mitteilen, will verkünden …
Wie die Hirten dies taten.
Mir geht durch den Sinn, dass wir mehr Lehrer bräuchten, die in diesem Sinne Hirten sind.
So viele Menschen, die am Heiligen Abend in der Kirche sitzen, würden keinem Hirten glauben, wenn er kommt und wie Gabriel sagt: Euch ist heute der Heiland geboren ... Was für eine Bescherung wäre das auch, wenn die Bescherung ausfallen müsste, nur weil der Heiland geboren ist ... Doch genau das ist die Wirklichkeit des einstmals christlichen Abendlandes.
Die Hirten gingen und breiteten das Wort aus, das ihnen von den Engeln gesagt ward und das sie selbst gesehen hatten; der Evangelist Johannes wird schreiben:
"Das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns.
Und wir sahen seine Herrlichkeit ..."

Hirten sehen diese Herrlichkeit.

Weihnachtsfreude aus Kinderhänden