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Dienstag, 30. Juni 2015

Religiosität in Deutschland: zum Beispiel Bad Kissingen

Schon als ich in den letzten Jahren ab und an in Bad Kissingen zu Besuch war, las ich immer mal wieder das Schild Stationsberg; nie im Leben hätte ich gedacht, dass es auf ein Kleinod hinweist; es klang eher nach Tal- oder Mittelstation. Dass es ein Kreuzweg sein könne, hätte ich nie vermutet.
Erst als ich vor einigen Wochen von St. Wendelinus weiterlief, kreuzte die 7. Station meinen Weg und ich sah, dass da ja Treppen nach oben gehen. Kurz entschlossen folgte ich ihnen und ich war total überrascht, was mich da
erwartete.
Heute Vormittag, obwohl es schon ziemlich warm war, habe ich mich auf die Socken gemacht; die Lichtverhältnisse schienen mir günstig fürs Fotografieren.

Wenn man Dinge durch die Linse anschaut, dann gewinnen Details auf einmal einen ganz neuen Stellenwert. Man sieht, was man, wenn man etwas einfach so betrachtet, oft nicht bemerkt.

So sitze ich heute Mittag hier und möchte einige besonders eindrückliche Bilder, obwohl es doch eigentlich Sommer ist und der Inhalt gar nicht so zur Jahreszeit zu passen scheint, posten; trotz Jahreszeit: Ich war wirklich beeindruckt von der Intensität dessen, was ich wahrgenommen habe.
Einen weiteren Post mit Bildern dieses so eindrucksvollen Kreuzweges werde ich bestimmt zu Ostern nächsten Jahres veröffentlichen.

Und was mir so alles durch den Kopf gegangen ist, das möchte ich noch am Schluss erwähnen.
Hier nun eine kleine Auswahl von über 140 Bildern, die ich gemacht hatte - Gott sei Dank gibt es digitales Fotografieren :-)
Ganz besonders berührt hat mich die 4. Station, als Jesus seiner Mutter begegnet. Man ahnt, was sich da in Maria abgespielt haben und wie es Jesus gegangen sein mag.
Und beeindruckt hat mich an der 9. Station - "Jesus fällt zum dritten Male unter dem Kreuz" - dieser Ausdruck im Gesicht des römischen Soldaten und das Leid Jesu:















Überhaupt sind oft die Gesichtsausdrücke der Soldaten sowie anwesender Juden und ihre Bewegungen voller Aussagekraft; ob jener junge Mann wusste, wen er da schlagen will?



Oder ob jenem Soldaten klar war, was er tat, als er Jesus den Nagel durch die Hand schlug:


Wie kontrastieren dem gegenüber die Leidensbilder Jesu während dieser Folter, wie brutal allein das Knie, das ihn zu Boden presst . . .


oder als er demütigend seiner Kleider beraubt wird


Auch die Bilder, die Maria Magdalena und Jesu Mutter zeigen, als Jesus vom Kreuz abgenommen wird, berühren zutiefst (wenn man die Bilder anklickt, mag manches noch deutlicher werden)

Ein Bild hat für mich einen ganz besonderen Stellenwert:


Das Kreuz ist leer.
Alles Leid hat sich gelohnt:


Damals schon, als ich diesen Weg entdeckte und heute Morgen genauso wie jetzt, da ich doch mehr Bilder hier einbringen musste, als ich wollte, ging mir durch den Kopf, wie wenig beachtet dieser Kreuzweg ist. Da wird in Bad Kissingen allenthalben gebaut, ein Investor wird für ein neues 5-Sterne-Hotel gesucht, wie mir jemand erzählte, der Platz ist schon freigebaggert mitten im Zentrum; in der Kuranlage wird ein wunderbares altes Gebäude für die Verwaltung hergerichtet, wohl mit Millionenaufwand, wenn es stimmt, was mir ein Spaziergänger erzählte. 
Dieser Kreuzweg aber ist ziemlich heruntergekommen.
Und schade, dass ich nirgends fand, wer diese Stationen so unglaublich eindrucksvoll gestaltet hat.
Wie schön, dass jemand wenigstens sich um die erste Station kümmert - vergelt´s Gott, möchte man da sagen.



Kein Wunder aber, dass die Evangelische Kirche so massiv Mitglieder verliert und die Katholische wohl nicht viel weniger.
Glaube will im Alltag integriert sein. Wir bestimmen, woran wir denken und was in unserem Bewusstsein ist. 
Wie toll fanden die Leute Hape Kerkelings "Ich bin dann mal weg", den Bericht seines Pilgerns auf dem Jakobsweg.
Bei uns aber pilgern die Menschen vor allem zu Aldi und Lidl.
Hoffentlich geht ihnen nicht - wie dem Mann vom Lande in der Türhüterlegende - erst ein Licht auf, wenn alles um sie herum und in ihnen dunkel zu werden beginnt.




Sonntag, 28. Juni 2015

Wer kein Herz hat, hat auch keinen Mut. Er gleicht jenen Politikern, die wie betrunkene Spermien durch die Gegend lawieren und nicht zum Ziel finden.

 Ihre Entscheidungsunfähigkeit ist in Wahrheit eine Schwäche des Herzens.
In der Weltliteratur gibt es Stellen, die man liest und im Tiefsten ergriffen ist. Zu ihnen gehört jene Bibelstelle im dritten Kapitel des 1. Buches der Könige, hier in einer Übersetzung der Lutherbibel 1984:
Wer weiterlesen möchte: hier

Mittwoch, 17. Juni 2015

Einfach die Nase voll, Frau Merkel - VON IHNEN!

Diese dümmliche Art, mittels seichter Formulierungen die Bürger zu verschaukeln - inclusive der Abgeordneten des Bundestages, von denen zu viele eh alles mit sich machen lassen: ES REICHT!
Laut spiegel-online soll dem NSA-Ausschuss ein Papier des Kanzleramtes übergeben worden sein, in dem es unter anderem heißt:

"Da auf absehbare Zeit nicht zu erwarten ist, dass die US-Regierung einer Weitergabe ausdrücklich zustimmen wird, ist die Bundesregierung (…) bereit, zur verfassungskonformen Erfüllung des Beweisbeschlusses (...) eine in ihrer Bewertung unabhängige und sachverständige Vertrauensperson einzusetzen, welche die Dokumente (...) untersuchen und dem Untersuchungsausschuss Bericht erstatten soll. Dieses Verfahren soll dem Untersuchungsausschuss eine Wahrnehmung seiner Kontrollfunktion ermöglich, ohne einen völkervertragsrechtlichen Verstoß der Bundesrepublik Deutschland (...) herbeizuführen.“

Auf absehbare Zeit nicht zu erwarten?!

Sollen wir noch dankbar für diese Lange-Bank-Formulierung sein?
Sagen Sie doch einfach: Die USA stimmen einer Veröffentlichung der Selektoren nicht zu.

Das war Ihnen doch im Übrigen schon vor vielen Wochen klar!
Vor vielen Wochen!
In Wahrheit hatten Sie gar nichts anderes erwartet, nur eben auf Zeit gespielt.
Das soll nun auch wieder funktionieren.

weiterlesen hier

Sonntag, 14. Juni 2015

Scheinbar unscheinbar auf Bad Kissingens Halbhöhe: Sankt Wendelin, Patron für notleidende Tiere, unsere notleidende Umwelt und Natur!

Fünf Minuten von meiner Wohnung entfernt residieren Aldi, Lidl, Edeka und DM recht kompakt beieinander. Von dort aus sieht man zwar die bewaldete Anhöhe, die Luftlinie ca. in 500 Metern sich hinter den Häusern erhebt, also vier, fünf Querstraßen weiter. Doch kaum jemand beachtet sie und kennt IHN. Ein bisschen schnaufen muss man schon, die Wendelinus-Straße hoch, ein paar Meter auf der Ignatius-Taschner-Straße, dann Richtung Waldrand und im Wald noch 200 Meter ordentlich nach oben.
Eine Einkehr bei St. Wendelin lohnt sich. Nur hat er kein Gebäude um sich. Seine Kapelle ist der Wald.
Ein wunderschöner, wie überhaupt Bad Kissingen von Wald umsäumt ist, es sei denn, die Fränkische Saale bahnt sich, umgeben von schönen Parkanlagen, den Weg. 


Von dieser Gestalt, wie sie da steht, geht eine Ruhe und ein Frieden aus, das ist kaum zu fassen. Schön, dass es eine Bank gegenüber gibt, auf die man sich gern setzt. Ich glaube, hier ist schon mancher aufgestanden und hat sich bei dem Heiligen bedankt, denn man hat das Gefühl, er sei präsent.
Der Heilige St. Wendelin gilt als Nothelfer gegen Feuerkatastrophen und Naturgewalten. Beim Brand des Saarbrücker Schlosses und bei einer Feuersbrunst in St. Wendel 1588 soll er geholfen haben. Auch in Wassernöten stand Wendelin seinen Schutzbefohlenen zur Seite.
Besonders schützte Wendelin sein Grabheiligtum und die ihm anvertraute Stadt St. Wendel vor allen Angreifern, Dieben, Gotteslästerern und Ketzern während der verschiedenen Kriege - und er schützt noch heute. Da Wendelin der Schutzpatron der Bedrängten und Helfer der Notleidenden war und ist, wurde sein Grabheiligtum zum Wallfahrtsort, zur viel besuchten Heiligen- und Heilstätte.
Das erste Patronat des heiligen Wendelin ist belegt um 1320, als er sich als großer Helfer bei einer allgemeinen Pest zeigte. Bald vertraute man ihm auch bei weiteren Seuchen, die bei Menschen und Tieren auftraten, und auch bei weiteren Krankheiten, besonders bei ansteckenden. Auch als Patron bei Gicht und Rheuma wurde der Heilige verehrt. Dies hängt wohl mit seinem Pilger- und Hirtenpatronat zusammen, denn Gicht und Rheuma waren besonders häufige Pilger- und Hirtenkrankheiten. Außerdem wurde und wird Wendelin als Quellenheiliger heute noch häufig zur Hilfe und Heilung bei Augenkrankheiten angerufen; dem Wasser des Wendelsbrunnen im Wendelstal beim Bosenberg wird Heilkraft für kranke Augen zugesprochen.



Vor allem aber gilt er als Vieh- und Hirtenpatron. Dies wird auch in der Bad Kissinger Verehrung deutlich. Ein Lamm und ein Rind fühlen sich in seiner Gegenwart offensichtlich sehr wohl. Seine Hand ruht auf der Schäfertasche und in der anderen hält er den Schäferstab, als ob diese Hand nie etwas anderes gehalten habe.
Alle obigen Informationen findet man auf der Seite von Sankt Wendelinus, der Kirche von Wendel
Weiteres findet sich zudem im Ökonomischen Heiligenlexikon, unter anderem auch, dass er wohl um 555 in Schottland oder Irland geboren wurde und um 617 in Tholey, einer Stadt im Saarland, ca. 40 Kilometer von Saarbrücken und 12 Kilometer vom heutigen St. Wendel entfernt, starb.
Heute bin ich einem Ehepaar begegnet, die nach dem Ehrenfriedhof für Gestorbene des Ersten Weltkriegs fragten; ich habe ihnen gesagt, sie sollen nur gleich weitergehen zum Heiligen St. Wendelin. So nebenbei hat der Mann noch seine Herzprobleme angesprochen; ich sagte ihm: Da sind sie ja bei St. Wendelin genau richtig (er ist hier zur Kur, weil er große Herzprobleme hat). 
Ich ging dann weiter zum Kreuzweg auf dem Stationsberg - davon ein andermal mehr - und zur Burg Botenlauben. 
Als ich nach mehr als einer Stunde wieder zurückkam, begegneten sie mir wieder; damit hatte ich nun doch nicht gerechnet. So lange hatten sie sich dort aufgehalten. Den Grund erfuhr ich gleich:
Der Mann erzählte, dass der Wald so wunderschön sei. Er habe hier Vögel gehört und gesehen, die er schon seit Jahren nicht gehört und gesehen hätte. Bei ihnen in Franken gebe es vor allem ausgedehnte Kiefernwälder; so ein schöner Wald wie hier . . . er hat das mehrfach betont.
Ich sagte ihm, dass der Wald auch heilende Kräfte habe. Seine Frau und er haben eifrig dazu genickt; es schien, als ob es ihnen eine Selbstverständlichkeit sei.



PS
Kleiner Nachtrag: Gestern, Sonntag, saß ich bei St. Wendelin auf der Bank. Erst hoppelten zwei Hasen an mir vorbei, dann zeigte sich noch einer vor mir im Wald. Schließlich kam eine Frau mit Hund. Ca. 10 Meter von St. Wendelin entfernt guckte der auf einmal auf die Statue, auf deren Kopf, stellte den Schwanz hoch, sträubte die Haare und knurrte, ja grollte. Kurze Zeit später nochmal. Die Frau war ganz baff, schüttelte den Kopf und schaute auch zu dem Heiligen. - Was der Hund wohl wahrgenommen haben mag :-) - jedenfalls muss es für ihn doch sehr ungewöhnlich gewesen sein . . .

Mittwoch, 10. Juni 2015

Laut UN-Weltwasserforum sterben in jeder Minute 7 Menschen wegen schlechter Wasserversorgung!


Die folgende Info habe ich der Welthunger-Demo-Seite von ARIWA (animal rights watch) entnommen, auf der sich noch weitere bemerkenswerte Informationen finden

WASSER

Laut UN-Weltwasserforum1 sterben 7 Menschen wegen schlechter Wasserversorgung - in jeder Minute!
Die Zahlen der UNO für das Jahr 2010 sind alarmierend: 780 Millionen Menschen haben keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser.2 Die zehnfache Bevölkerungszahl Deutschlands leidet akut unter Durst - oder muss mit Krankheiten durch keim- und chemiebelastetes Wasser rechnen.
Schlechte Rohrleitungssysteme, fehlende Abwasserentsorgung und die steigende Weltbevölkerung sind wichtige Faktoren. Außerdem spielt der Export eine große Rolle: Zentral ist hier der Begriff des "virtuellen Wassers". Das ist die Menge, die benötigt wird, um ein Produkt herzustellen. Beispielsweise enthält 1 kg Tomaten 0,95 Liter Wasser. Allerdings werden für die Herstellung 214 Liter benötigt. Werden Tomaten von Afrika nach Europa verschifft, entziehen wir den Einwohner_innen dort nicht nur 0,95 Liter reales Wasser. Stattdessen haben sie 214 Liter weniger zur Verfügung.
Drastisch verschärft wird das Problem durch die sogenannten "Veredelungsverluste". Diese bezeichnen den Verlust bei der Umwandlung pflanzlicher Nahrung in Tierprodukte. Wer ein Kilo Salat isst, nimmt bekanntlich nicht um ein Kilo zu. Ebensowenig tut dies ein Rind. Für eine Kalorie Rindfleisch werden sechzehn (16!) Kalorien pflanzlicher Nahrung verfüttert.
Die Konsequenz: Der Export "virtuellen Wassers" vervielfacht sich bei Tierprodukten. Für ein (!) Kilogramm Rindfleisch werden unvorstellbare 15.500 Liter benötigt.3 80 Badewannen voller frisches Wasser! Fleisch und andere Tierprodukte sind eine enorme Ressourcenverschwendung. Gemäß den Zahlen von UNICEF verbraucht eine tierlich orientierte Ernährung ähnlich viel Wasser wie eine 365 Tage im Jahr rund um die Uhr laufende Dusche. Machen wir uns nichts vor: Nicht der tropfende Wasserhahn ist das Problem, sondern die fünftausend Liter in einem 300-Gramm-Steak! 
WasserbedarfEnergieWasser/KalorieProteinWasser/Protein
Rindfleisch (1kg)15500 l2930 kcal5,29 l/kcal150 g103,33 l/g
Kartoffeln (1kg)278 l680 kcal0,42 l/kcal20 g14,35 l/g
Weizen (1kg)1827 l3210 kcal0,57 l/kcal114 g16,03 l/g
Wasserverbrauch pro Nahrung, Daten: Durchschnittswerte waterfoodprint.org, naehrwerttabelle.de
Die obige Berechnung zeigt: Bei Rindfleisch werden durchschnittlich für eine Kilokalorie 5,29 Liter Wasser benötigt. Für ein Gramm (!) Protein sind es 103 Liter. Dies ist ein Vielfaches wie bei pflanzlichen Lebensmitteln.
Die kalte Logik der Märkte interessiert sich nicht für Durst. Solange wir Europäer_innen mehr zahlen als es ein_e Slumbewohner_in kann, wandert das Wasser in die Futtertröge für den Export. Ist das fair gegenüber den Verdurstenden? Sollte jede_r Einzelne bewusster einkaufen? Warten wir nicht auf Beschlüsse irgendwelcher Regierungen - jede_r kann durch pflanzliche Ernährung ihren/seinen ökologischen Fußabdruck sofort auf unter ein Zehntel senken. Auch das Vermeiden importierter Lebensmittel leistet einen konkreten Beitrag.

  1. UN-Weltwasserforum Marseille, 12.03.2012
  2. http://www.unicef.org/media/files/JMPreport2012.pdf
  3. http://virtuelles-wasser.de/schwein_rind.html

Dienstag, 9. Juni 2015

Erstes TTIP Leak

Anstatt eines breiten Diskussionsprozesses in Parlament und in der Öffentlichkeit über die Ziele des Mandats gab es nur Geheimniskrämerei. Dieses Mandat wurde ohne Beteiligung des Europaparlaments vom Rat verabschiedet und ist offiziell immer noch nicht für die Öffentlichkeit zugängig.

Die TTIP-Verhandlungen sollen transparent sein. Dazu gehört, dass das Mandat öffentlich zugänglich ist. Außerdem wird für die Zukunft ein Mitentscheidungsrecht des Europaparlaments bei der Erstellung von Verhandlungsmandaten gefordert.

Erstes TTIP Leak mit Link zum Originaldokument!


Mittels diesen Links besteht die Möglichkeit, den Verhandlungsstopp von EU-Handelskommissar Karel De Gucht und EU-Parlamentspräsident Martin Schulz zu fordern.

Montag, 8. Juni 2015

Demut entsteht, wenn der große Mensch vor die Gnade gelangt (Romano Guardini).

Es gibt Interpreten, die bringen eine Blüte ein zweites Mal zum Blühen. Ich denke da an den Gebersheimer Pfarrer Albrecht Goes (1908-2000) und seine Mörike-Gedichtinterpretationen: Sie sind so einfühlsam, so mit Sorgfalt und Demut vor dem großen Geist des Anderen geschrieben - einfach fast selbst ein Gedicht.

So verhält es sich auch mit den Dante-Studien des katholischen Priesters, Theologen und Philosophen Romano Guardini (1885-1968). Seine Ausführungen zu Hölderlin, zu Mörike, vor allem aber auch zu Dante Alighieri sind auf jeder Seite eine Bereicherung. Ich möchte sagen, ich lerne von ihm fast genauso viel wie von Dante. Seine Anmerkungen zu der Demut im Wesen Dantes geben Zeugnis davon.
Es gibt katholische Priester, die sich Mythen und der Literatur von der Psychologie her nähern, Eugen Drewermann zum Beispiel; sie wirken bisweilen belehrend.
Dieser katholische Priester aber kommt aus einer tiefen Religiosität; die ist gar nicht belehrend, sondern einfach bereichernd.

Er schreibt in seinem Werk über die philosophischen und religiösen Grundgedanken in der Göttlichen Komödie Dantes:



Zugleich aber taucht in Dantes Werk und Haltung immer wieder die umilià, die Demut auf. Was Demut ist, scheint aus dem allgemeinen Bewußtsein zu verschwinden. Sie wird - nicht zuletzt unter dem Einfluß Nietzsches - mit dem Kümmerlichen, Schwächlichen, Lebensunwerten, mit Mangel an Lebenskraft und an Willen zur Welt, mit Feigheit und Knechtsgesinnung in Verbindung gebracht. Das alles hat aber mit der eigentlichen Demut nichts zu tun. Diese ist wesentlich eine Haltung der Großen. Der erste Demütige ist Gott, welcher doch der Schöpfer und Herr der Welt ist: Tat und Offenbarung seiner Demut ist die Menschwerdung. (Phil.2) Wenn man Dante fragte, wann beim Menschen Demut entstehe, würde er wohl antworten: dann, wenn der große Mensch vor die Gnade gelangt. Je größer der Mensch, und je lauterer die Gnade, desto tiefer die Demut.
Größe, Gnade und Demut bilden ein Ganzes; dieses Ganze ist es, was er meint, wenn er von der umilità als Haltung und Daseinsform spricht. Sie beginnt mit dem Beugen des Hochmuts und der Überwindung der Hybris; sofort wird aber deutlich, daß sie lebendiger Gegenpol eines mächtig empfundenen Selbstgefühls ist: Element eines Daseins, dessen Größe und Fülle als Gabe der Huld erfahren wird. In der Demut wird das als groß empfundene Selbst sich bewußt, etwas zu sein, das geschenkt ist und immer wieder geschenkt werden muß und eben darin zu seiner Vollendung gelangt. Damit wird Demut zur Liebe, denn Liebe ist die Haltung, die weiß, daß das Eigentliche nur in der Form der Gabe besessen werden kann.

Sonntag, 7. Juni 2015

Was Dante über seine weibliche Seite erfährt: Wie zustandekommt, was wir so Liebe nennen

Die folgende Stelle der Göttlichen Komödie Dantes steht fast etwas unauffällig zu Beginn des 18. Gesangs. Dante ist mit seinem Führer Virgil im Fegefeuer, am Berg der Läuterungen unterwegs - also in jenem Abschnitt seiner Reise, wo die Seelen sich aufhalten, die noch nach ihrem Tod durch Läuterung zum Seelenheil gelangen können - und wird demnächst in den 5. Kreis gelangen, zu den Geizigen.
Wenn man die Göttliche Komödie so liest, wird einem erst so richtig bewusst, wie intensiv solch eine Läuterung auszusehen hat. Die Geizigen zum Beispiel liegen auf dem Boden, immer zur Erde blickend und einer sagt, warum:
.
Was Geiz vermag, das kannst du hier ermessen
An dieser Buße der verkehrten Seelen;
So bitter ist am Berg sonst keine Strafe.
Wie unser Auge einst sich nicht erhoben,
Zum Himmel, nur an Erdendingen haftend.
So muss Gerechtigkeit uns niederdrücken
Und wie der Geiz zu allen guten Dingen
Die Liebe löschte und das Tun verwehrte,
So hält Gerechtigkeit uns hier gebunden
In Fesseln fest an Händen und an Füßen
Und solang es des Herrn gerechter Wille
Sind wir hier ausgestreckt und ohne Regung.
.
Die Geizigen müssen schwer büßen, weil sie sich in ihrem Leben immer nur mit irdischen Dingen beschäftigt haben, nie nach oben geschaut haben; sie lernen, wie das ist, wenn man immer nur zur Erde schaut; gefesselt liegen sie und tun das, was sie als Lebende die ganze Zeit taten: nur zur Erde zu schauen  . . .
Wie ernsthaft sie das aber tun, das überrascht mich immer wieder und es wird klar, wenn Papst Hadrian V., mit dem Dante gerade sprach (auch wenn jener ihn nicht sehen konnte), diesen bittet:
.
Geh nun voran, du sollst nicht stehen bleiben
Denn dein Verweilen hindert mich am Weinen.
.
Ich meine, die Divina Commedia ist 700 Jahre alt und wir dünken uns heute so aufgeklärt, zumal wir ja ein ganz anderes Weltbild haben. Aber was mir so deutlich beim Lesen wird, ist, wie wenig ernst wir, verglichen mit Dante und seinem Werk, den Weg der Seele nehmen. Wenn man diese Gesänge liest, wird einem absolut deutlich, welche Verantwortung man gegenüber dem Leben  hat; ich glaube, das macht unter anderem ihren großen Sinn aus.
Zurück zu dem Beginn des 18. Gesangs.
Dante träumt.
In seinem Traum ist die männlich handelnde Person Virgil, sein Führer durch das Jenseits. Jener ist also als  männliche Gestalt ein Teil von ihm, von Dante, von seiner männlichen Seite. Indem Virgil im Traum auftaucht, bedeutet das, dass dieser Traum-Teil seelisch ziemlich entwickelt ist; das ist Virgil als sein Führer durch Hölle und Fegefeuer ja durchaus.
Und dann kommen da noch zwei Frauen vor, die eine ist eine Sirene, die andere könnte man als Engelsgestalt bezeichnen, zwei sehr unterschiedliche Facetten von Dantes weiblicher Seite.
Ulisses ist im Folgenden ein anderer Name für Odysseus, der ja auf seinen Irrfahrten auch einigen Frauen begegnete, Circe, den Sirenen, Kallypso . . . So viel vorweg. Mehr sag ich mal nicht :-)
.
Hab' ich im Traum ein stotternd Weib geschaut: 
so beginnt der Traum-Bericht
Scheelblickend, ganz verkrümmt bog sie sich nieder,
Verstümmelt beide Hände, bleich die Haut. 
Ich blickt' auf sie, und wie die kalten Glieder 
Die Sonne neu belebt nach frost'ger Nacht,
So gab mein Blick geläuf´ge Sprach' ihr wieder 
Und hatt' in kurzer Zeit sie schlank gemacht 
Und auch auf ihren totenblassen Wangen,
So wie die Liebe will, die Farb' entfacht. 
Und wie die Zung' ihr nun gelöst war, sangen 
Die Lippen plötzlich so, dass solchem Bann
Mein Ohr und Sinn nur mühsam war' entgangen. 
„Holde Sirene bin ich", hob sie an; 
„Den Schiffer auf der hohen See bezwing' ich,
So lieblich tönt es, wenn mein Lied begann. 
Ulisses selbst auf seiner Irrfahrt fing ich 
Mit dem Gesang. Wer sich gewöhnt zu mir,
Kommt selten fort: solch voll Genügen bring' ich." 
Eh' noch ihr Mund sich schloss, war neben ihr 
Ein andres Weib, ein heiliges, gekommen,
Zu Schanden sie zu machen voll Begier.
„Virgil, Virgil", rief sie von Zorn entglommen, 
„Wer ist dies Weib?" Und flugs war er zur Hand
Und kehrte fest den Blick zu jener frommen, 
Griff die Sirene, öffnet' ihr Gewand 
Und riss es ab, um mir den Leib zu zeigen:
Da weckte mich Gestank, der rings entstand.
.
Die Sirene war wirklich keine sonderlich anmutige Gestalt: scheelblickend, verkrümmt, verstümmelt . . .
Absolut interessant ist, was Dante im Traum jedoch macht: Er taut sie wie die Sonne förmlich auf; er formt ihre Gestalt, macht sie schlank, er gibt ihren Wangen Farbe. Nur deshalb kann sie so reden und sich in Szene setzen, wie sie es tut. Kaum, dass er sich ihrem Bann entziehen kann.
Unwillkürlich denkt man an jene Sirenen, die die Schiffer durch ihren Gesang anzogen und nicht mehr losließen (darauf weist die Frau ja auch selbst hin). Odysseus ließ sich auf Rat der Göttin bekanntlich, bevor er an den Sirenen, an deren Inselgestaden viele Gerippe von toten Schiffern lagen, vorbeisegelte, am Schiffsmast festbinden, sonst hätte er sich ihrer Anziehungskraft nicht entziehen können (seine Gefährten hatten die Ohren mit Wachs verstopft).
Wer weiß, was mit Dante - im Traum ist er ja Virgil - geschehen wäre, wäre da nicht jenes andere Weib aufgetaucht und hätte ihn durch ihren entsetzten Anruf förmlich aufgeweckt: Virgil, Virgil, wer ist dies Weib?
Obwohl Dante-Virgil hätte sehen müssen, was mit dieser Frau los ist - ihr Körper wies ihn ja mehr als deutlich auf ihre Seele hin - hübschte ER sie auf. Und nennt, was er tut, auch noch Liebe!
Mit einem Griff macht das heilige Weib, ein wissender, heiliger Teil seiner weiblichen Seite in ihm, alles klar: Das Öffnen des Gewandes der Sirene lässt deren Gestank frei, der Auskunft darüber gibt, was wirklich mit ihr los ist (In der vorliegenden Übersetzung scheint es so, als ob das der Traum-Virgil täte; in einer anderen, die zutreffend ist, tut dies das heilige Weib).
Ich finde diese Passage großartig, weil sie offenbart, was wir oft machen: Wir projizieren in einen Anderen etwas hinein, was er gar nicht ist. Aus welchen Gründen auch immer wir das tun, weil wir lange genug allein waren und unbedingt wieder eine Beziehung wollen oder aus welchen Gründen auch immer: Wir sind der Verfasser unseres eigenen Unglücks. Und wenn dann die Beziehung zu Ende geht, wenn wir auf einmal den Gestank wahrnehmen und womöglich entsetzt darüber sind, wie wir nur auf so jemanden hereinfallen konnten, dann täuschen wir uns womöglich noch gern darüber hinweg, dass das, was wir rochen, im Grunde unser eigener Gestank war. Wir wollten die wahre Realität des Anderen nicht riechen, und dass wir sie nicht wahr-nehmen konnten, hing damit zusammen, dass wir aufgrund unseres eigenen Inneren jenen Gestank für Wohlgeruch hielten. - So riechen ja auch wir.
Und manchmal bleiben wir sogar dabei, dass wir alles aus Liebe taten.
Und schimpfen über den Anderen.
Gut jedenfalls, wenn dieser Teil, dieser heilige Teil rechtzeitig auftaucht. Manchmal tut er es nicht. Aus gutem Grund.
Die Geizigen wüssten, warum. Manchmal blickt man einfach zu verbohrt nur auf Irdisches, auf sein Ego.
Interessant finde ich, was, aufgewacht, Dante zu Virgil sagt:
.
. . . Was mich erfüllt mit solchem Zagen
Ist dieser neue Traum, er liegt auf mir
Dass ich nicht kann ihn aus dem Sinn mir schlagen.

Virgil darauf:


... Du sahst die alte Hexe hier,
Um die allein sie droben Pein bestehen:
Du sahst, wie sich der Mensch befreit von ihr.
Das sei genug; nun rühre Fers und Zehen.
.
Virgil weiß, wie kostbar die Zeit ist, auch etwas, was Dante zu lernen hat (Virgil selbst, auch als "Toter", übrigens auch). Deshalb fordert er Dante auf weiterzugehen.
Was er jenem aber noch sagt, ist wichtig. Es beinhaltet nämlich, dass Dante gesehen hat, dass es sich von solchen Seiten, von solchen Hexen zu befreien gilt. Und dass Dante das gesehen hat, hat ihn befreit. - Dem Hinweis Virgils entnehme ich das.
Gleiches gilt im Grunde auch für unsere Träume. Sie können uns befreien.
Und solche Werke wie die Göttliche Komödie wirken ebenfalls so.
Ich kämpfe mich förmlich durch sie hindurch und viel kann ich von ihr nie lesen, ohnehin ist sie nur mit Kommentar, mit mehreren Kommentaren verständlich.
Aber sie löst so viel aus, kann so viel läutern.
Ein unglaubliches Werk.

Samstag, 6. Juni 2015

Hallo CDU, hallo SPD - und alle Indifferenten

Indifferenz ist die geistige Haltung, die en vogue ist. Ihr, unsere Parteien, seid also auf der Höhe der Zeit! Deren Motto lautet: Selig sind die Lauen, Seichten, Indifferenten!
In Dantes Göttlicher Komödie bewohnt ihr die Vorhölle und seid sozusagen nicht einmal mehr der Hölle wert (im zweiten Höllenkreis kommen dann die Wollüstigen – da hätte sich wenigstens das Leben gelohnt, oder?). Ihr lauft in dieser Vorhölle bezeichnenderweise hinter einem Fähnlein her; es stellt den Zeitgeist dar. Das steht für ein Verhalten, immer sich nach dem, was gerade ausgeflaggt ist, auszurichten. Frau Merkel ist eure Fahnenschwenkerin ...
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Mittwoch, 3. Juni 2015

Innig mir verbunden / Warst Du in Äonen, die verschwunden!

Ob es den Mann, die Frau fürs Leben, gar für die Ewigkeit gibt, könnten Juden und Christen nur mit JA beantworten. – Manche Autoren scheinen die Schöpfungsgeschichte geradezu als Vorlage verwendet zu haben. Frappierend ist, wie klar einige von ihnen wohl  intuitiv zu einem der Bibel entsprechenden Ergebnis kommen.
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PS
Liebe Facebook-Leser, sorry, dass ich auch in diesem Fall euch den Umweg über hier zumuten muss, aber der direkte Link beinhaltet wieder ein historisches Bild, das mit meinem Beitrag nichts zu tun hat und mir nicht gefällt.