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Sonntag, 7. Mai 2023

Die Liebessabotage überwinden

Unter Liebe versteht jeder etwas anderes, wenn er Überhaupt etwas versteht.
Um Verstehen geht es ohnehin den Menschen in der Regel in Sachen Liebe nicht.
Muss man denn in Sachen Liebe etwas verstehen? Ist sie nicht einfach ein Gefühl? Und wenn sie da ist, ist sie da, wenn nicht, nicht?

Das Dilemma der Liebe ist, dass viele Menschen ein Gefühl für, ein Gefühl von Liebe für Liebe halten. Aber Liebe ist Unmittelbares, nur stellt sie sich nicht unmittelbar ein, sondern mittelbar.
Liebe ist ein Puzzle, bestehend aus einzelnen Teilchen, die die Bibel beispielsweise „Früchte des Geistes“ nennt und Freude, Frieden, Geduld und anderes mehr damit meint, andere nennen sie Tugenden und unterscheiden Primär- und Sekundärtugenden. Eine Primärtugend soll Hilfsbereitschaft sein, eine Sekundärtugend beispielsweise Ordnungsliebe.
Aber der Kosmos ist Ordnung. Das griechische Wort Kosmos bedeutet ja übersetzt Ordnung, Schmuck. Im Kosmos hat alles seinen Wert. Er ist wie eine Wohnung, die wir bewohnen und in der sich nur Dinge befinden, die einen Sinn machen, die ich nicht vermissen kann, ohne das Entscheidendes fehlt.
Ist dann Ordnunghalten eine Sekundärtugend?
Nein. Deshalb Vorsicht mit solchen Klassifizierungen.

Voraussetzungen für Liebesfähigkeit sind die Fähigkeiten des buddhistischen Achtfachen Pfades, die Früchte des Geistes und Tugenden, die es zu benennen gilt. Eine davon ist beispielsweise das Nicht-urteilen-Müssen, das Annehmen eines Anderen ohne Vorab-Wertung - kurzum: ein Wunsch und Wille, zu verstehen; ein Vermögen, zu verstehen.

Wenn wir die Früchte- und Tugendleiter Stück für Stück uns nach oben bewegen, dann entsteht in uns zunächst etwas wie ein Gefühl für Liebe, das mehr und mehr Liebe selbst wird. Das ist etwas, was jeder nur individuell in sich wahrnehmen kann. Der Liebeskuchen in uns wächst, obwohl wir zunehmend und mehr und mehr davon essen.
Natürlich gibt es Liebe, die wir spontan empfinden, die auch eine Mutter und ein Vater haben, wenn sie ihr Kind bedingungslos lieben. Aber das ist Liebe, für die wir nichts können, die ein Geschenk des Lebens ist. Es ist die natürliche Liebe, die in allem ist, die wir auch im Anblick eines Gänseblümchens empfinden oder beim Betrachten eines Regenbogens, beim Bewundern kleiner spielender Kätzchen oder Hundebabys.

Was wir entwickeln ist die Kunst der Liebe. Liebe als bewusstes Wahrnehmen-Können von „Liebe“.
Eine Übungsmöglichkeit, sich diesem Zustand zu nähern, ist, uns vorzustellen, dass wir auf einem Pfad gehen, auf der linken Seite ist Hass, auf der rechten Seite begleitet uns Liebe.
Ist das vorstellbar, dass wir uns zwischen Hass und Liebe befinden?
Ein Versuch ist es wert.
Er ist vergleichbar dem Christusweg, der verläuft zwischen Luzifer und dem Satan (oder, wie Anthroposophen sagen würden: Ahriman).
Auf dem Weg zwischen Liebe und Hass erkennen wir möglicherweise, dass wir Luzifer für Liebe gehalten haben, dass das Licht, das wir für das göttlichen gehalten haben, das kalte Neon-Licht Luzifers war.
Luzifer ist als abgestürzter, als Beinahe-Engel viel weiser als wir. Er liebt Weisheit; er vermittelt uns Weisheit. Und viele Menschen, gerade im esoterischen Bereich, halten das hehre Gefühl von Weisheit, das er zu vermitteln vermag, für Liebe; sie, diese luziferische Weisheit fühlt sich so gut an ... wie Liebe ...

Der seit Jahrhunderten gelehrte Dualismus zwischen Himmel und Hölle ist durchschaut. Der Himmel im Rahmen dieser Dichotomie ist Luzifer, nicht Himmel bzw. Liebe. Der wirkliche Weg bleibt nicht im Dualistischen stecken. Ein Drittes ist notwendig. Und das zu erkennen, dazu erleben wir jedes Jahr Ostern - wenn wir es denn wirklich erleben …
Wenn wir in der Mitte zwischen Liebe und Hass gehen, erkennen wir, dass wir den Weg des Herzens gehen, auf dem jeder Augenblick fruchtbringend und wahrhaft tugendhaft sein kann.
Oder sagen wir kosmisch.
Himmel und Erde sind nicht mehr getrennt. Sie lassen uns ein Drittes, einen Zustand leben, den wir Liebe nennen dürfen.

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