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Sonntag, 29. März 2009

Ist Leben Kampf? Gegensätzlicher können Positionen kaum sein: Stuart Wilde - Albert Camus - Paulus.


Pointierter als Stuart Wilde - bei
Amazon laufen seine Bücher unter der Kategorie
Religion und Esoterik - kann man sich, wie er das in seinem Buch Leben war nie als Kampf gedacht tut, kaum gegen Kampf aussprechen:

Männer kämpfen gern, doch auch manche Frauen. Die männliche Einstellung ist etwa die: Wenn ich mich aufplustere und herumpoltere, werden die Leute denken, ich bin ein richtiger Mann und Respekt vor mir haben. Ob dabei etwas herauskommt oder nicht, ist nicht so wichtig, Hauptsache man sieht, welche heroischen Anstrengungen ich mache. Damit jeder anerkennt, was für ein Held ich bin, mache ich ein Riesentheater mit hektischer Aktivität, irrsinnig knappen Zeitplänen, Besprechungen von welterschütternder Wichtigkeit, Überstunden und ständigem Stress. Natürlich macht mich dieses Gehabe ziemlich nervös, doch das gehört dazu, denn die anderen werden denken, ich bin so angespannt, weil ich eine ungeheure Verantwortung trage, und sie werden mich deshalb lieben und anerkennen. - Werden sie das wirklich tun?
Um die Wahrheit zu sagen, die Antwort lautet nein. Jeder mit ein bisschen Durchblick sieht, dass dieser Mann ein kompletter Idiot ist. Seine Schwäche, vor allem sein Mangel an Selbstwertgefühl, ist unübersehbar.


Der französische Philosoph und Schriftsteller Albert Camus muss demnach solch ein kompletter Idiot gewesen sein, denn für ihn ist klar - und das macht er im Rahmen seines Mythos vom Sisyphos deutlich:

Der Kampf gegen Gipfel vermag ein Menschenherz auszufüllen. Wir müssen uns Sisyphos als einen glücklichen Menschen vorstellen.

In einer Endlos-Schleife wuchtet Sisyphos, der für Camus beispielhaft für den bewussten Menschen steht, immer und immer wieder vergeblich seinen Stein nach oben. Doch für diesen existentialistischen Philosophen ist er glücklich. In seinem gottleeren Universum kann das nicht anders sein.

Der biblische Apostel Paulus hingegen heiligt in den Ermahnungen an seinen engen Mitarbeiter Timotheus nicht generell den Kampf. Er spricht dezidiert von dem guten Kampf, wenn er schreibt:


Kämpfe den guten Kampf des Glaubens.

In einer Predigt lese ich im Internet, dass Paulus den sportlichen Wettkampf als Beispiel verwende.
Mag sein; für mich bringen seine Worte, die den Kampf einbeziehen, zum Ausdruck: Sei zuhöchst konzentriert!
Wie ein Bogenschütze sich auf den Punkt konzentriert, den Bogen spannt, den Pfeil loslässt und dann nur hoffen kann, ihm alles Notwendige mit auf den Weg gegeben zu haben, so gilt das für unsere Worte und Taten. Einmal unterwegs richten sie an, was sie mitbekommen haben: Gutes oder ggf. Vernichtendes.
In diesem Sinne gilt es von Anfang bis Ende gut, d.h. konzentriert zu kämpfen.

Obwohl sich Paulus darauf bezieht und einer der berühmtesten Kämpfe, der Kampf von David gegen Goliath, in der Bibel vorkommt, ist Kampf kein großes Thema in dem Buch der Bücher. Dieses Wort findet sich in der Bibel sechsmal und das dazugehörige Verb kämpfen neunmal. Wenn man bedenkt, dass allein das Wort Kalb im letzten Buch der Bibel das zwölfte Mal vorkommt, ist Kampf gewiss kein Mittelpunktswort.
Aber kämpft nicht Jesus in Gethsemane den Kampf seines Lebens? Auch auf seinem Weg zum Kreuz?

Heißt es nicht andererseits in der Bibel, in Matthäus 5: Widerstehet nicht dem Übel!
Bedeutet das nicht eine Aufforderung, den Kampf zu unterlassen, ja sogar, wenn jemand einem auf die rechte Backe schlägt, ihm sogar die linke darzubieten?

Und wenn jemand den Kampf gegen eine Krankheit aufnimmt, z.B. gegen Krebs, glaubt ernsthaft jemand, man könne Krebs durch Kampf besiegen?

Fragen über Fragen.
Immer mal wieder möchte ich mich in Zukunft diesem Thema widmen.

......................
zum Beispiel hier

Sonntag, 15. März 2009

Mahatma Gandhi:


Lebe, als würdest Du morgen sterben;
lerne, als würdest Du ewig leben.

Lieber Mahatma Gandhi,
gesetzt den Fall, diese Übersetzung Deiner Aussage stimmt und somit auch der Konjunktiv II, den man auch den der Nicht-Wirklichkeit nennt, dann weißt Du spätestens seit Deinem angeblichen Ab-Leben:

Wir leben ewig.

Und angesichts unseres ewigen Lebens und der Tatsache, dass wir im Grunde zeitlose Wesen sind, so wie Gott, ist es unsere Aufgabe, diese Ewigkeit in uns zu entdecken.
Deshalb muss es - für mich jedenfalls - heißen:

Lerne, denn Du lebst ewig.

Unser Problem ist, dass wir für Ewigkeit keinen wirklich wahren Begriff haben, denn immer müssen wir Zeit-Begriffe nehmen.

Wie aber wollen wir Ewigkeit, die doch zeitlos ist, in Begriffen der Zeit ausdrücken?
In Wahrheit können wir es nicht, so wenig wie wir uns einen Begriff von Gott machen können. Mit unseren Begriffen begrenzen wir ihn, der doch grenzenlos ist.
Wir können nur sagen, Gott sei ohne Anfang und ohne Ende. Aber auch dann verwenden wir mit dem Wörtchen "ohne" nur Negationen unserer Endlichkeit, unserer Begrenzungen, die ein Anfang und ein Ende kennen.
Gott aber hat keinen Anfang und kein Ende.

Wir streben danach, Decke um Decke unseres Zeit-Bewusstseins hinwegzunehmen, um die Wahrheit unseres zeitlosen Seins zu ent-decken. Dann gibt es weder ein Jüngstes noch ein Ältestes Gericht, dann gibt es niemand mehr, der uns Angst macht mit der Uhr, die abläuft.
Am wenigsten müssen wir uns dann selbst Angst machen.

Liebe ist jenes Wort und Bewusstsein, das uns dahin trägt und über das Novalis unweit jener Blauen Blume, die ein Symbol der Ewigkeit ist, in seinem Heinrich von Ofterdingen schreibt:


Wenn nicht mehr Zahlen und Figuren
sind Schlüssel aller Kreaturen,
wenn die, so singen oder küssen,
mehr als die Tiefgelehrten wissen,
wenn sich die Welt ins freie Leben
und in die Welt wird zurückbegeben,
wenn dann sich wieder Licht und Schatten
zu echter Klarheit werden gatten
und man in Märchen und Gedichten
erkennt die wahren Weltgeschichten,
dann fliegt vor einem geheimen Wort
das ganze verkehrte Wesen fort.

Ich möchte nicht sagen, unser Wesen sei verkehrt, aber eben endlich;
allerdings nur so lange, bis jenes Wort in unserem Bewusstsein aufstrahlt, das
geheim ist in des Wortes wahrer Bedeutung, denn geheim bedeutet
zum Heim gehörend, zu unserem wahren Wesen also.

In Wahrheit gibt es also kein Geheimnis, denn jedes Ge-Heim-nis gehört zum Heim, zu unserer Heimat, zu uns.
Dieses Wort, von dem Novalis spricht, ist
geheim; es gehört demnach zu uns!
Stellen wir uns also nicht unnötig doof.

Samstag, 14. März 2009

Die Fronten gehen mitten durch die Klassenzimmer! - Die Strategie der Heuchelei hat viele Gesichter.


Wird Winnenden etwas ändern?

Dann müssten als Erstes die Bänke in vielen Klassenzimmern umgestellt werden.

Seit Jahrzehnten gucken entsprechend dem Frontalunterricht die Kinder auf den Hinterkopf des Vordermannes.
Sechs Stunden lang, wenn kein Kunst-, Musik- oder Sportunterricht eine andere Unterrichtsform erzwingen.
Manche sehen etliche Gesichter von Mitschülern nicht einmal am Tag bewusst.

Auf einmal schauen ganz viele Menschen Tim K. ins Gesicht.

Meine Erfahrung ist im Übrigen, dass nicht wenige Klassen gar nicht anders sitzen wollen. Wozu in Hufeisenform sitzen, wozu in Kreisform?

Ich erlebe es immer wieder, dass der Stoffdrill dazu führt, dass Kinder vor allem auf die Tafel sehen wollen und nicht in Gesichter. Und dass ihnen ein Gesicht reicht: das des Lehrers.

Ich musste im Übrigen auch erleben, dass eine Klasse einen Lehrer bat, sich mit ihnen in den Kreis zu setzen und zu sprechen und dass ihnen das verweigert wurde.

Natürlich ändert eine veränderte Sitzform nicht von vornherein Bewusstsein. Aber der Kreis steht für viel mehr.

Auf einmal ist niemand mehr no face.


Nun - Strategie der Heuchelei - diskutiert man darüber, ob Schützenvereinsmitglieder Waffen im Verein deponieren sollten und ihre Munition bei der Polizei zwischengelagert wird.

Und - Strategie der Heuchelei - war Tim K. nun in psychotherapeutischer Behandlung oder nicht???

Als ob das ein einziges Kind wieder lebendig macht oder den Tod eines Kindes beim nächsten Amoklauf verhindert!

Als ob man sagen kann: Tim K. war psychisch krank. Als ob eine psychische Krankheit ab 1000 Gramm beginnt.

Wie viele Kinder sind in Wahrheit psychisch krank, weil ihre Eltern schon längst die Erziehung an Videofilme und den Computer abgegeben haben ...

Nun wird kurz innegehalten.

Aber wird wirklich endlich der Lehrplan entrümpelt, damit wieder Zeit ist für das, worauf es im Leben ankommt: sich ins Gesicht zu sehen, Interesse am Anderen zu finden, weil das vor allem bedeutet, dass man Interesse an sich selbst gewinnt ... wer Interesse an sich gewinnt, nimmt sich ernst ... wer sich ernst nimmt, bringt sich nicht um ... auch nicht andere ... manche sind wunschlos glücklich ... in erster Linie bedeutet das, dass sie ihre Wünsche nicht kennen ... für die eigenen Bedürfnisse gilt dasselbe ... wer sein Bedürfnis nach Wärme nicht kennt, schießt gegebenenfalls ganz kalt ...

Kultusminister Rau hat schon angekündigt, dass man nicht nur nach hinten schauen dürfe ... Hört! Hört!

Tag 3 nach Winnenden:

Kehren wir endlich wieder zur Normalität zurück, auch wenn noch ein paar Beerdigungen laufen ...

... bis zum nächsten Amoklauf ...
... bis zu den nächsten Heuchelergüssen ...

Wie viele außer mir haben das Gefühl, dass sich nicht wirklich etwas ändert?

Warum auch?
Seit wann nehmen wir Signale von kranken Kinderseelen ernst!

In Wahrheit ist unsere Gesellschaft so krank wie Tim K.

Freitag, 13. März 2009

Winnenden und der Amoklauf oder: Die Unfähigkeit zu trauern!

Heute, Freitag, am sogenannten Tag 2 nach der Tat wird allenthalben getrauert; die Kondolenzbücher sind aufgeschlagen, medienwirksam und im schwarzen Anzug hat sich der Ministerpräsident des Landes Baden-Württemberg als Erster eingetragen; hinter ihm war schon eine lange Schlange zu sehen, leider konnten die Honoratioren nicht ihre Namen in die laufenden Kameras rufen.

Ich will die Betroffenheit dieser Menschen im Einzelnen nicht infrage stellen, dennoch aber möchte ich sagen, dass ich vieles geheuchelt finde.

Am Tag des Geschehens habe ich eine Familienministerin von der Leyen im Fernsehen erlebt, die gerade mal zwei Sätze zu dem Geschehen sagte, um sich dann sofort der Frage zuzuwenden, wie so etwas in Zukunft zu verhindern sei.
Diese Kälte und Herzlosigkeit war für mich erschreckend.
Kein Mitgefühl.
Ich habe auch nicht ein bisschen Herz gespürt.
Pures Polit-Styling.
So gestylt wie die Frau.


Möglich, dass sie überfordert war.
Ich möchte mir kein Urteil über die Situation hinaus erlauben, aber ich hätte mir gewünscht, dass eine Frau, für die Familien in diesem Land zuständig und selbst siebenfache Mutter, in der Lage ist, zu den Medienmenschen zu sagen:

Was fragen Sie mich hier für Dinge. Lassen Sie uns doch heute nur, nur trauern.
Es ist gerade Schreckliches geschehen. Lassen Sie uns innehalten und in Gedanken bei den Menschen sein, denen gerade Schreckliches widerfahren ist.
Ich habe selbst sieben Kinder zur Welt gebracht.
Nun sind 9 Kinder unseres Landes gestorben.
Auf grässliche Weise.
Da haben Eltern ihre Kinder in die Schule geschickt mit auch nicht dem geringsten Zweifel, sie säßen mit ihnen wieder am Mittagstisch.
Und nun kommen diese Kinder nicht mehr nach Hause.
Stattdessen stehen Särge in den Türen.
Wer kann da noch sprechen ...

Warum ist da ein Land nicht in der Lage, warum ist kein führender Politiker in der Lage zu sagen:

Lassen Sie uns schweigen,
lassen Sie uns innehalten,
lassen Sie uns mitfühlen.

Lassen Sie uns durch unser Mitfühlen den schmerzlich Betroffenen eine Hilfe sein, eine Hilfe dadurch, dass sie merken: Wir sind in unserem Schmerz nicht allein.

Stattdessen Interview auf Interview, Hektik auf allen Kanälen. Politiker und Polizeipräsidenten präsentieren ihre unmaßgebliche Meinung.

Hat ein Fernsehsender bewusst sein Programm geändert, außer dass ein Tagesschau Spezial oder Ähnliches zugeschaltet wurde?
Hat ein Sender einen einzigen Gewaltfilm aus dem Programm genommen?

Nicht, dass ich wüsste.

Vielleicht hätte oben angesprochenes Verhalten vielen Trittbrettfahrern und zukünftigen Tätern die Energie entzogen für ihre Vorhaben.

Ja, heute Abend wird auf dem ein oder anderen Sender ein Konzert dem Geschehen gewidmet.
Aber wirklich getrauert, wirklich durch Mitgefühl geholfen haben wir im Einzelnen und als Gesellschaft nicht zu einem Zeitpunkt, als es notwendig gewesen wäre, gerade für die Angehörigen und alle, die so schrecklich betroffen waren, die Klassenkameraden, die Kollegen und viele andere, die einbezogen waren.

Die Menschen speisen ihr Mitgefühl aus dem Leid, das sie sehen.
Nicht aus ihrem Herzen - das ist die Wahrheit.

Anstatt den Menschen, die leiden, ihre Energie der Liebe zu geben,
ziehen sie ihnen noch Energie ab,
indem sie das eigene Mitgefühl,
den wohligen Schauer des eigenen Seelenschmerzes
aus deren Leid speisen.


Das ist die Realität unseres Landes
und aus dieser Realität speisen sich die neuen Täter.