Seiten

Freitag, 20. Dezember 2019

"Christus wird in Armut und Niedrigkeit geboren!" - Søren Kierkegaard und warum die fette Gans und das Fest-Gedröhne nicht zu Weihnachten passen. -

Wenn es nach Søren Kierkegaard geht, könnte der Pfarrer zum 4. Advent oder in der Christ-Vesper eine Scheibe Brot hochhalten und sagen: "In diesem Moment müssen sich auf unserer Erde Menschen, wie wir hier, diese eine Scheibe Brot teilen. Jesus wurde von Beginn an für einen schmalen Weg geboren. Und ich predige über diesen schmalen Weg, der ich auf dem breiten mich befinde - wie die meisten von uns hier . . ."

Søren Kierkegaard in Zur Selbstprüfung der Gegenwart empfohlen
Christus ist der Weg. Das sind seine eigenen Worte, so muß es wohl die Wahrheit sein.
Und dieser Weg ist schmal. Das sind seine eigenen Worte, so muß es wohl Wahrheit sein. Ja, ob er es auch nicht gesagt hätte, es würde doch Wahrheit sein. Hier hast Du ein Beispiel davon, was »predigen« im höchsten Sinne ist. Denn ob Christus auch nie gesagt hätte: »die Pforte ist eng, und der Weg ist schmal, der zum Leben führet«, – sieh ihn an, und Du siehst gleich: der Weg ist schmal. Und eine ganz anders stetige und ganz anders eindringliche Verkündigung dessen, daß der Weg schmal ist, ist ja dies, daß sein Leben jeden Tag, jede Stunde, jeden Augenblick ausdrückt: der Weg ist schmal – als wenn sein Leben es nicht ausgedrückt, und er dann einige Male verkündigt hätte: der Weg ist schmal. Du siehst hier zugleich, daß es der größtmögliche Abstand von der wahren Christentums-Verkündigung ist, wenn ein Mann, dessen Leben täglich und stündlich und in jedem Augenblick das Gegenteil davon ausdrückt, etwa eine halbe Stunde lang das Christliche predigt. Eine solche Verkündigung verwandelt das Christliche in sein gerades Gegenteil. (. . .)  Es sind nicht zwei Wege da, ein leichter, gebahnter, auf dem der Verkündiger wandelt, während er verkündet, daß »der Weg« schmal sei, nämlich der wahre Weg, der Weg, auf dem er nicht wandelt, so daß seine Verkündigung die Menschen einladet, Christo auf dem schmalen Wege nachzufolgen, während sein Leben, was natürlich eine weit größere Macht ausübt, sie einlädt, dem Verkündiger aus dem leichten, gebahnten Wege nachzufolgen. Ist das Christentum? Nein, christlich sollen Leben und Verkündigung dasselbe ausdrücken, nämlich dieses: »der Weg« ist schmal.
Und dieser Weg, welcher Christus ist, dieser schmale Weg, ist schmal in seinem Anfange.
Christus wird in Armut und Niedrigkeit geboren! fast wird man versucht, zu denken, es sei nicht ein Mensch, der da geboren wird – er wird in einem Stalle geboren, in eine Krippe gelegt, und, wunderlich genug, wird ihm doch schon als Kind von den Machthabern nachgestellt, so daß die armen Eltern mit ihm flüchten müssen. Das ist in Wahrheit sogar ein merkwürdig schmaler Weg, denn wenn man in Hoheit geboren wird, z.B. als Thronerbe, ja, dann kann es wohl geschehen, daß man den Nachstellungen der Mächtigen ausgesetzt ist; aber in einem Stalle geboren werden – das ist Armut und Dürftigkeit, die drückend genug sein kann; dann pflegt man aber sonst auch von den Nachstellungen der Mächtigen befreit zu sein.
Aber wie er bei der Geburt nicht zur Hoheit bestimmt scheint, so bleibt es auch ungefähr wie es im Anfang war: er lebt in Armut und Niedrigkeit, hat nicht, da er sein Haupt hinlege.
Dies würde wohl schon genug sein, um, menschlich geredet, von einem Wege zu sagen, daß er schmal sei. Und doch ist dies noch das Leichteste auf dem schmalen Weg.
Ganz anders schmal ist der Weg, und gleich von Anfang an. Denn sein Leben ist gleich von Anfang an eine Versuchungsgeschichte; die Versuchungsgeschichte ist nicht bloß ein einzelner Abschnitt aus seinem Leben, vierzig Tage, nein sein ganzes Leben ist, wie es auch Leidensgeschichte ist, so Versuchungsgeschichte.


Keine Kommentare: