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Montag, 18. April 2022

"Und die Stimme erkennend" - ein Augenblick tiefster Seligkeit. - Noch einmal zum Passionsgeschehen aus der Sicht Anna Katharina Emmericks





 

(vorausgegangen auf diesem Blog war ein Auszug in Bezug auf das Karfreitagsgeschehen aus der Sicht der Anna Katharina Emmerick - siehe vorausgehender Beitrag)

Magdalena aber sah ich wieder in den Garten und zu dem Grabe eilen, sie war vom Laufen und von Trauer ganz wie von Sinnen. Sie war vom Tau ganz durchnässt, ihr Mantel war ihr vom Kopf auf die Schultern gesunken und ihre langen Haare waren aufgelöst herabgefallen. Weil sie allein war, scheute sie sich, gleich in die Felsenhöhle hineinzutreten, sondern sie verweilte auf dem Rande der Vertiefung vor dem Eingang der Vorhalle. Hier beugte sie sich nieder, um durch die tiefer liegende Tür in die Vorhalle gegen das Grablager zu schauen, und in dem sie ihre vorfallenden langen Haare mit den Händen fassend zurückhielt, sah sie zwei Engel in weißen priesterlichen Kleidern zu Häupten und Füßen des Grablager sitzen und hörte zugleich die Stimme von einem derselben: „Weib, was weinst du?“ Und sie rief in ihrem Jammer aus (denn sie wusste und dachte an nichts, als dass der Leib des Herrn nicht mehr da sei): „Sie haben meinen Herrn weggenommen und ich weiß nicht, wo sie ihn hingelegt haben.“  

Dies sagend und nichts als die Tücher sehend, wandte sie sich sogleich wie eine Suchende um, sie meinte, sie müsse ihn überall finden, sie war im dunklen Gefühle seiner Nähe, und selbst die Erscheinung der Engel konnte sie nicht irre machen. Es war, als denke sie gar nicht, dass diese Engel seien, sie konnte an nichts denken, als an Jesus, nichts als: Jesus ist nicht hier, als: wo ist Jesus? Und ich sah sie einige Schritte vor dem Grabe hin und wieder irren wie eine ganz verwirrt suchende Person, ihre langen Haare hingen ihr links und rechts über die Schulter hervor, sie strich einmal die Masse der Haare auf der rechten Schulter durch beide Hände, dann hatte sie die beiden Haarströme in beiden Händen und schlug sie zurück und schaute umher, da sah sie etwa zehn Schritte von dem Grabfelsen gegen Morgen, wo der Garten gegen die Stadt aufsteigt, zwischen dem Gebüsche hinter einem Palmbaum eine lange, weiß bekleidete Gestalt in der Dämmerung und hörte, darauf zustürzend, abermals die Worte: „Weib, was weinst du? Wen suchst du?“ Sie hielt die Gestalt aber für den Gärtner, und ich sah sie auch mit einer Schaufel in der Hand und einem flachen Hut, der einem Stück gegen die Sonne vorgebundener Baumrinde glich, gerade wie ich den Gärtner in der Parabel gesehen, die Jesus den Frauen kurz vor seinem Leiden in Bethanien erzählte, und seine Erscheinung war nicht leuchtend, sondern gleich der eines Menschen in der Dämmerung in langem weißem Gewande. Auf die Worte: „Wen suchst du?“, erwiderte sie sogleich: „Herr, hast du ihn weggetragen, so sage mir wohin, ich will ihn holen!“ Und zugleich schaute sie wieder umher, ob er ihn nicht in der Nähe habe; da sagte Jesus zu ihr mit gewohnter Stimme: „Maria!“ Und die Stimme erkennend und Kreuzigung, Tod und Begräbnis vergessend, als lebe er, sagte sie, sich augenblicklich wendend, wie sonst: „Rabboni (Meister)!“ und fiel vor ihm auf die Knie und streckte die Arme nach seinen Füßen aus. Jesus aber hob die Hand abwehrend gegen sie und sprach: „Rühre mich nicht an, denn ich bin noch nicht aufgefahren zu meinem Vater; gehe aber zu meinen Brüdern und sage es ihnen: Ich fahre auf zu meinem Vater und eurem Vater, zu meinem Gott und zu eurem Gott.“ Da verschwand der Herr. – Ich hatte auch eine Erklärung, warum Jesus sagte: „Rühre mich nicht an“, ich bin mir aber derselben nicht mehr ganz bewusst. Ich meine, er sprach dies, weil sie so ungestüm war und ganz in dem Gefühl, als lebe er wie sonst, und alles sei, wie sonst.

[nach Rudolf Steiner ist, wenn ich mich recht entsinne, Jesus Christus nicht in seinem physischen Leib auferstanden, sondern in seinem erleuchteten Ätherleib, der sich physisch nicht umarmen lässt; Maria Magdalena, die diesen Ätherleib hellsichtig wahrnahm, setzte ihn wohl mit dem physischen Leibe gleich; in ihrer folgenden Erklärung, scheint mir, ist sich Anna Katharina Emmerick dieser Tatsache aus ihrer Erinnerung heraus, die sie ja Clemens Brentano mitteilte, nicht (mehr) bewusst]

Über die Worte Jesu, er sei noch nicht aufgefahren zu seinem Vater, hatte ich die Erklärung, er habe sich noch nicht nach seiner Auferstehung seinem himmlischen Vater dargestellt und ihm noch nicht für seinen Sieg über den Tod und für die Erlösung gedankt. Es war, als sage er ihr hierdurch, die Erstlinge der Freude gehörten Gott, sie solle sich erst besinnen und Gott danken für das vollendete Geheimnis der Erlösung und des Sieges über den Tod; denn sie hatte seine Füße wie sonst umarmen wollen, sie hatte an nichts gedacht, als an ihren geliebten Meister, und das ganze Wunder in der Heftigkeit ihrer Liebe vergessen. Ich sah aber, wie Magdalena nach dem Verschwinden des Herrn sich aufraffte und, als sei sie im Traum gewesen, nochmals dicht an das Grab hinlief; da sah sie die beiden Engel auf dem Grab sitzen, hörte, was die Frauen gehört von der Auferstehung, sah die Tücher liegen und eilte nun, des Wunders und ihres Gesichtes ganz gewiss, hinaus, ihre Begleiterinnen zu suchen auf dem Weg gegen Golgatha, denn sie wandelten dort noch zagend umher, teils Magdalenas Rückkehr erwartend, teils in Begierde, den Herrn irgendwo zu sehen. Alles, was mit Magdalena geschah, währte nur ein paar Minuten; es mochte etwa halb drei sein, da ihr der Herr erschienen, und als sie kaum den Garten hinausgelaufen war, eilte Johannes in denselben hinein und Petrus dicht hinter ihm her. Johannes stand auf dem Rande vor dem Eingang und bückte sich durch die Tür der Vorhalle nach der halb offenen Grabtür schauend und sah die Tücher liegen. Nun kam Petrus und ging hinab in die Höhle und vor das Grablager und sah die Grabtücher hier in der Mitte des Lagers von beiden Seiten gegen die Mitte zusammengerollt, es waren die Gewürze hineingewickelt und die Binde war darum geschlungen, so wie Frauen dergleichen Tücher zum Aufbewahren zusammenzurollen pflegen, das Angesichtstuch aber lag rechts davon gegen die Wand und war auch geordnet. Hierauf folgte Johannes dem Petrus auch an das Grablager, sah dasselbe und glaubte an die Auferstehung, denn es wurde ihnen nun klar, was der Herr gesagt und was in der Schrift stand, sie hatten das vorher nur so obenhin genommen. Petrus aber nahm die Tücher unter seinem Mantel mit, und sie eilten hinaus durch das Pförtchen des Nikodemus, Johannes aber lief dem Petrus wieder voraus.

Ich habe mit ihnen das Grab besehen und auch mit der Magdalena, und ich sah beidemal die beiden Engel zu Häupten und Füßen sitzen, wie immer und auch wie die ganze Zeit, während der Leib Jesu im Grabe lag. Es schien mir aber, als habe Petrus sie nicht gesehen. Johannes hörte ich nachher zu den Jüngern von Emmaus sagen, dass er von der Vorhöhle schauend einen Engel gesehen habe. Vielleicht ließ er, dadurch erschreckt, den Petrus voraus, und meldete es nicht im Evangelium, aus Demut, um nicht mehr gesehen zu haben als Petrus.

Ich sah aber nun erst die herumliegenden Wächter sich erholen und aufraffen. Und sie nahmen ihre Spieße und Feuerkessel, welche an der Tür des Einganges auf Stangen gebrannt und einen Schein hineingeworfen hatten, und ich sah sie scheu und verstört aus dem Garten eilen und gegen das Tor der Ausführung hin zur Stadt ziehen. 

Magdalena hatte indessen die heiligen Frauen aufgefunden und ihnen erzählt, dass sie es Petrus gesagt, und jetzt den Herrn im Garten und dann die Engel gesehen habe, und die Frauen erwiderten ihr, dass auch sie die Engel gesehen. Nun eilte Magdalena zur Stadt durch das nahe Ausführtor, die Frauen aber gingen wieder gegen den Garten, vielleicht um die beiden Apostel dort noch zu finden, und ich sah die Wächter an ihnen vorüberziehen und einige Worte zu ihnen sprechen.

In der Nähe des Grabgartens trat den heiligen Frauen die Erscheinung Jesu in einem weiten weißen Gewand, das selbst über die Hände niederhig, entgegen und sprach: „Seid gegrüßt!“ Da bebten sie und sanken ihm zu Füßen, und es war, als wollten sie seine Füße umfassen, wessen ich mich jedoch nicht deutlich erinnere. Ich sah aber, dass der Herr einige Worte zu ihnen sprach, mit der Hand nach einer Gegend deutete und verschwand, worauf die heiligen Frauen durch das Bethlehemstor nach Sion eilten, den Jüngern im Cönaculum zu sagen, dass sie den Herrn gesehen und was er zu ihnen gesprochen. Diese aber wollten anfangs weder ihnen noch Magdalenas Aussagen irgendwelchen Glauben schenken und hielten bis zur Rückkehr des Petrus und Johannes alles für Einbildung der Frauen.
Johannes und Petrus, der vor Staunen ganz tiefsinnig geworden war, trafen auf ihrem Rückweg Jakobus den Kleineren und Thaddäus an, welche ihnen zum Grabe hatten folgen wollen. Auch diese beiden waren sehr erschüttert, denn der Herr war ihnen nahe bei dem Cönaculum erschienen. Ich sah aber, dass Jesus dem Petrus und Johannes vorübergegangen war, und Petrus schien mir ihn gesehen zu haben, denn diesen sah ich plötzlich in großer Erschütterung. Ob auch Johannes ihn erkannt, weiß ich nicht.

Ich sehe jetzt in diesen Bildern in Jerusalem und anderen Orten den Herren und andere Erscheinungen öfter hier und da in Gegenwart anderer Menschen ganz deutlich, ohne zu bemerken, dass diese ihn auch sehen. Manchmal sehe ich einzelne plötzlich erschüttert und staunend, während die anderen ganz gleichgültig sind. Es ist, als sähe ich den Herrn immer, bemerke aber zugleich, dass die Leute ihn damals nur dann und wann gesehen.

Ebenso sah ich die beiden priesterlichen Engel im Inneren des Grabes von der Grablegung des Herrn an immer, sah aber auch, dass die heiligen Frauen diese Engel manchmal nicht, manchmal nur einen derselben, und dann wieder beide erblickten. Die Engel, welche die Frauen anredeten, waren die priesterlich erscheinenden Grabengel. Es redete nur einer derselben und wurde nur einer, als die Tür nicht ganz offen war, von ihnen gesehen; der Engel, der wie ein Blitz vom Himmel niederfuhr, den Stein vom Grab rückte und sich auf ihn setzte, erschien in der Gestalt eines Kriegers. Cassius und die Wächter sahen ihn anfangs auf dem Steine sitzen. Die nachher sprechenden Engel waren die beiden oder einer der Engel des Grabes. Warum dieses alles so geschah, ist mir nicht mehr erinnerlich, als ich es sah, wunderte es mich nicht, dann ist alles, wie es ist, ganz recht und nichts scheint seltsam.

(…) es erschienen nach Jesu Auferstehung noch viele Seelen verstorbener heiliger Juden hier und da vielen Leuten aus ihren Nachkommen, die noch einer Gnade und Rührung fähig waren, und erschütterten ihr Herz zur Bekehrung. Auch zu vielen Jüngern, welche, im Glauben erschüttert, sich mutlos im Lande zerstreut hatten, sah ich solche Erscheinungen kommen, die sie trösteten und im Glauben festigten. Das Aufstehen der toten Leiber aus ihren Gräbern nach Jesu Tod hatte keine Ähnlichkeit mit der Auferstehung des Herrn, denn Jesus stand mit seinem nun erneuten, verklärten Auferstehungsleibe auf, wandelte lebend am Tage auf Erden und fuhr mit diesem seinem Leibe vor den Augen seiner Freunde zum Himmel, und es war dieser sein Leib nicht mehr dem Tode und dem Grabe unterworfen. Jene auferstandenen Leiber aber waren nur wandelnde, bewegungslose Leichen, den Seelen zur Hülle gegeben und wurden von diesen wieder in den Schoß der Erde abgelegt, wo sie die Auferstehung am jüngsten Tage mit uns allen erwarten. Ja sie waren weniger vom Tode auferstanden als Lazarus, der wirklich lebte und später zum zweiten Male starb; denn sie wurden als ein Kleid der Seele wieder abgelegt in die Gräber, da der Leib Jesu auch zu Grabe gebracht worden war.


PS.  (betrifft Facebook-Gruppe https://bit.ly/3ObGgXs)

In einem abschließenden Beitrag möchte ich in den nächsten Tagen darauf eingehen, was mir im Rahmen der wiedergegebenen Auszüge selbst sehr bemerkenswert ist (natürlich freue ich mich, wenn das auch andere tun, im Rahmen eines eigenen Beitrages oder mittels Kommentaren).
Die Mitteilungen der Anna Katharina Emmerick könnten im Übrigen einen Hinweis darauf geben, warum unter den Jüngern keine Frau war und sie bestätigen mir, dass Maria Magdalena die Lebensgefährtin von Jesus gewesen sein könnte. 


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