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Montag, 10. Oktober 2022

Gestiefelter Kater sein - die bieder selbstgenügsame Spiritualität überwinden. Den (Welten)Humor leben!

Wer noch einmal das Märchen vom Kater, der uns ein Vorbild sein kann, lesen möchte: https://bit.ly/3EuVYKM

Ein bisschen hat jeder die Fähigkeit, gestiefelter Kater zu sein, in sich. Gewiss nicht jede und jeder gleichermaßen, aber mancher, der vor sich tut, er kenne den Kater nicht, ist entweder einfach lau (ein biblischer Ausdruck für nicht Fisch noch Fleisch), faul-behäbig oder feige.

Es gibt diese Märchen, deren Stellen manche gern überlesen, die darauf aufmerksam machen, dass man zu Mitteln greifen darf, die die Feigen von vornherein ächten und z.B. einen auf Pazifismus machen. Nein, das Leben fordert uns heraus, nicht nur die Hände zu falten und den Frommen zu geben, sondern handlungsstark und gewitzt zu sein.
Gretel ist da ein leuchtendes Beispiel:
Frühmorgens musste Gretel heraus, den Kessel mit Wasser aufhängen und Feuer anzünden. 'Erst wollen wir backen', sagte die Alte, 'ich habe den Backofen schon eingeheizt und den Teig geknetet.' Sie stieß das arme Gretel hinaus zu dem Backofen, aus dem die Feuerflammen schon herausschlugen. 'Kriech hinein,' sagte die Hexe, 'und sieh zu, ob recht eingeheizt ist, damit wir das Brot hineinschießen können.' Und wenn Gretel darin war, wollte sie den Ofen zumachen, und Gretel sollte darin braten, und dann wollte sie´s auch aufessen. Aber Gretel merkte, was sie im Sinn hatte und sprach 'ich weiß nicht wie ich´s machen soll; wie komm ich da hinein?' 'Dumme Gans,' sagte die Alte, 'die Öffnung ist groß genug, siehst du wohl, ich könnte selbst hinein,' trappelte heran und steckte den Kopf in den Backofen. Da gab ihr Gretel einen Stoß, dass sie weit hineinfuhr, machte die eiserne Tür zu und schob den Riegel vor. Hu! da fing sie an zu heulen, ganz grauselich; aber Gretel lief fort, und die gottlose Hexe musste elendiglich verbrennen.
Gretels Stoß ist einer, der es in sich hat; er ist notwendig, damit sich die Not ihres Bruders und ihre eigene wenden. Mit ein bisschen esoterischem Powerchen ist da nichts getan; Gretel langt hin!

Wie gesagt, es ist nicht jedermanns Sache und es ist auch falsch, den Helden zu geben, wenn man aus unterschiedlichen Gründen ein Schwert nicht führen kann. Oft aber besteht auch die Tat darin, einen Helden zu rufen und nicht einfach die Augen vor der eigenen und der Not anderer zuzumachen. Der gestiefelte Kater hat nicht nur seine Stiefel; er kommt auch im Frack oder im Trainingsanzug.

Was uns das Märchen lehrt:
  • Vorsicht mit vorschnellen Urteilen: Was zu nichts zu taugen scheint, kann uns große Dienste erweisen; ein paar Stiefel können die Welt verändern. 
  • Oder ein Sack, wenn man ihn zu nutzen weiß. 
  • Die Rebhühner im Märchen sind jene Dinge, deren wir habhaft werden können, wenn wir dem Leben zugewandt sind und mit dessen Fülle umzugehen lernen.
  • Dann ist auf einmal ein Wachposten da, der es zulässt, dass wir zum König gelangen. 
Während der Kater aktiv ist, sitzt der Müllersohn zu Hause und jammert.
Das ist eine Seite, die, wenn sie uns dominiert, wir schnell recyceln sollten.

Natürlich kann es auch sein, dass der Kater übertreibt. Von diesem Kater erzählt das Märchen nicht. Aber es gibt ihn. Allerdings gibt es eben auch eine Seite in uns, die sagt: Übertreib´s nicht. Geh nicht zu weit!
Oft ist das eine durch unser Elternhaus oder andere Sozialisationsinstanzen eingebaute Spaßbremse.
Manchmal ertragen wir Glück nicht. Wir kennen die Geschichten von Lottogewinnern, die binnen kurzer Zeit ihr Geld wieder verlieren. Kein Zufall.

Es gibt allerdings auch Gesetze, auch spirituelle, die wir zu beachten haben: Einen Lohengrin darf man nicht fragen, woher er kommt; die Sonne zu genießen ist schön, aber Ikarus zu spielen, zahlt sich nicht aus.

Es sind da auch andere Seiten in uns, die uns lehren wollen und können, was angesagt ist und was nicht. In Bezug auf diese hören wir nicht auf, ein Leben lang zu lernen.

Märchen geben in vielerlei Gestalten, zu denen Menschen und Tiere gehören, Auskunft über unsere gigantisch vielen Seiten. Das Leben ist wie eine Orgel. Mancher von uns spielt gar nicht mit den Füßen oder nur auf einem einzigen der vielen Manuale. Und ist glücklich. Aber eben in seiner Definition von Glück.

Das Üble ist, dass jene, die eine reduzierte Form von Glück leben, möchten, dass andere das auch tun. Dann müssen sie nicht hinschauen, dass sie in Wahrheit Leben nicht leben.

Wer hätte gedacht, dass ein fluchender Kutscher, von dem das Märchen erzählt, eine Türe zum großen Glück aufmachen kann - wenn man nur hinhört …

Und wer hätte gedacht, dass es manchmal gut sein kann, sich splitternackt auszuziehen …

Mancher wird sagen, dass der Kater auch zum Mittel der Lüge greift.
Oder ist er listig?
Ist es eine Lüge, dass der Kater verlauten lässt, seinem Herrn seien die Kleider gestohlen worden, oder ist es eine List?
Ist es verwerflich, die Leute zu anderen Aussagen zu animieren - oder ist es ein geschickter Schachzug, den das Leben zulässt?

Die Antwort des Märchens ist mit der Gestaltung des Ausgangs eindeutig.

Und es lässt uns auch wissen: Man kann mit einem Zauberer in einen gewaltigen Kampf gehen, man kann ihn aber auch mit List und Witz in die Tasche stecken.

Menschen sind heute gerne bierernst, weil sich dann besser übersehen lässt, dass der Geist der Menschen in die Abstraktion gegangen ist und mit vielen Seiten und Saiten des Lebens nicht mehr umgehen kann, sie nicht zum Klingen bringt. Da ist dann manches geheim und geheimnisvoll geworden, obwohl es seiner eigentlichen Bedeutung nach bestens bekannt ist, denn „geheim“ bedeutet eigentlich:„zum Heim gehörend“. Deshalb gab es Geheimräte wie Goethe, die das Fürstentum bestens kannten und in Bezug auf das Heim des Fürstens jenem ein wertvoller Ratgeber sein konnten. 
Das Gegenmittel zum Fallen in die Abstraktion des Intellekts ist der Humor und Hermann Hesse hat ihm im Steppenwolf ein Denkmal gesetzt (https://bit.ly/3SP5Tze). Oder auch Rudolf Steiner in Aussagen wie:
„Nun konnte man sehr leicht meinen, daß es etwas Ungehöriges ist, so, wie man sagt, «heilige Dinge» satirisch zu behandeln. Aber wirklich, meine lieben Freunde, will man weiterkommen gerade auf dem Gebiete geistiger Weltanschauung, dann ist eine Grundforderung diese, daß man nicht das Lachen verlernt über dasjenige, worüber in der Welt gelacht werden muß, wenn man es richtig beurteilt. Eine Dame erzählte einmal von einem Herrn, der immer in der Stimmung war, «hinaufzusehen zu den großen Offenbarungen des Weltenalls». Von anderen Menschen, als von «Meistern», sprach er überhaupt nicht, und, verzeihen Sie, aber sie sagte noch: Er hat eigentlich immer «ein Gesicht bis ans Bauch» gemacht - sie war keine Deutsche, die betreffende Dame - also ein tragisch verlängertes Gesicht trug er stets zur Schau.“ (GA 169, S. 124)
„Man kriegt manchmal ein bißchen Schmerzen, wenn man in anthroposophische Ansiedlungen oder Zusammenrottungen kommt. Da ist manchmal eine solche bleierne Schwere. Man kriegt die Leute nicht zum Beweglichwerden. Bleierne Schwere ist da; wenn man eine Diskussion beginnt, macht keiner den Mund auf, weil auch die Zunge bleiern schwer ist. Die Leute machen ein «Gesicht bis ans Bauch». Sie sind so wenig geneigt, zum Heiterwerden, zum Lachen zu kommen!“ (GA 317, S. 102)

Dem einen mag der gestiefelte Kater zu weit gehen, einem anderen nicht. Das mag jeder für sich entscheiden. Nur ist es empfehlenswert, den Kater in sich auszuprobieren und andere Tiere und Möglichkeiten, die wir haben. Nicht dass wir am Ende des Lebens zurückschauen und denken: Wäre ich doch nicht so bieder gewesen und hätte mehr ausprobiert …

Seinem Menschheitsrepräsentanten lässt Rudolf Steiner nicht von ungefähr den Weltenhumor sozusagen über den Rücken schauen (https://bit.ly/3RJb9Dn).
Das mag uns zu denken geben, wenn wir mal wieder nur bierernst sein wollen …

Wir leben gerade in einer Zeit, in der alles viel zu sehr bierernst genommen sein will, Ukraine, Klima, Inflation …
Dahinter aber stehen genau jene Kräfte, die uns nur bierernst sein lassen und den gestiefelten Kater als eine Möglichkeit des Lebens vergessen machen wollen.

Mit Lachen und Humor überleben wir, ja leben wir!

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