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Sonntag, 19. Februar 2023

Die Bedeutung der Madonna für unsere Zeit. - Ihr Zusammenhang mit der Helena-Gestalt des Faust.

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Auf meinem Weg, mich dem erfassbaren Wesen des Weiblichen zu nähern, bin ich über die Gottesmutter Maria gestolpert, die für mich, wie ich in einem Facebook-Beitrag schrieb, ja eigentlich keine Gottesmutter, höchstens eine Jesusmutter war.
Seit vielen Jahren aus der Kirche ausgetreten, bin ich in protestantisch-pietistischem Umfeld aufgewachsen, so dass ich mir eine ganze Weile schwertat, der Bedeutung der Maria und den Madonnenbildern offen gegenüberzutreten. Den Zugang zu ihnen ganz geöffnet hat mir die Helenagestalt, wie sie Goethe kurz in Faust I und dann ausführlich in Faust II gestaltet hat. Dort sind auch die berühmten drei Mütter von größter Bedeutung, die, wie ich finde, aufschlussreich für das Verständnis des Weiblichen und Mütterlichen sind und zugleich den Weg weisen zu einem tieferen Verständnis der ägyptischen Osiris-Isis-Mythe; sie kann ja unsere Sicht auf Christus deutlich erweitern.
Alles in allem gewiss ein umfassendes Gebiet, das uns aber dem Verständnis der existentiellen Bedeutung des Weiblichen nahebringt. Wie umfassend es ist, zeigt allein die ungeheure Materialfülle zur Madonna, zu Maria. Es gibt u.a. diesen mit viel Liebe gestalteten Textbildband von Herbert Haag, Dorothea Sölle u.a. zu Maria in Kunst, Brauchtum und Religion und wenn ich, was ich in solchen Fällen immer tue, eines meiner Lieblingsbücher, Das geheime Wissen der Frauen von Barbara G. Walker, zu Rate ziehe, finde ich einen zweiseitigen Artikel zu Mari, dem Grundnamen der Großen Göttin, bekannt auch als Meermutter, deren lateinischer Name Maria war, die Meere. Die Chaldäer kannten sie als Marratu, die Juden als Marah, die Perser als Mariham und die Christen schließlich als Maria, Miriam, Myrrha - wie auch immer; der eigentliche Artikel zu Maria aber umfasst zehn Seiten, wobei ich eine Passage hier wiedergeben möchte, weil sie meinem Blick auf das Marienverständnis der Kirche ziemlich genau entspicht:
Ein Grund für die Übernahme Marias durch die Kirche lag in der erfolgreichen Amputation ihrer vorchristlichen Sexualität. Marias Jungfräulichkeit wurde unter allen Attributen, die sie von der großen Göttin gehabt hatte, am stärksten betont. Sie wurde „die Jungfrau“, nicht „die Mutter“ genannt. Die Kirchenväter bestanden darauf, dass sie sich nie in ihrem Leben auf Geschlechtsverkehr eingelassen hätte, obwohl in der Bibel eindeutig von Brüdern und Schwestern Jesu die Rede ist. Der heilige Ambrosius fragte:„Hätte der Herr Jesus etwa eine Frau als seine Mutter ausgesucht, die den himmlischen Raum mit dem Samen eines Mannes beflecken würde, also eine, die unfähig wäre, ihre jungfräuliche Keuschheit zu verteidigen?“
Kein Wunder also, dass die Kirche Marias Leib in den Himmel entsorgte, 1950 als Dogma von Papst Pius XII. verkündet, wobei Mariae Himmelfahrt bereits seit dem 5. Jahrhundert gefeiert wird, eingeführt wohl als Mariä Aufnahme in den Himmel von Bischof Kyrill von Alexandrien. 
Damit will ich nicht sagen, dass es nicht auch in ihrem Rahmen Männer gab und gibt, welche die Bedeutung des Weiblichen für unsere reale Existenz erkannten und vielleicht auch für seine Bedeutung eintraten (man müsste dazu beispielsweise bei Meister Eckehart nachlesen, was er dazu in seinen Predigten gesagt hat). Aber sowohl das Verhalten der katholischen Männer im Rahmen der Inquisition, der Hexenverfolgungen und gegenüber unschuldigen Kindern, ein Verbrechen, das erst in unserer Zeit Aufdeckung fand, aber schon seit vielen Jahrhunderten Bestand hat - man vergisst gern die unendlich vielen Opfer der vergangenen Jahrhunderte! - zeigt, dass ihr Gott ein kranker Gott war, denn nach Aussagen der Bibel war er männlich-weiblich. Dass man das Weibliche ausschloss und Priesterinnen, weibliche Kardinäle und Päpstinnen nicht zuließ, zeigt, dass man das wahre Sein Gottes nicht verstand, womöglich auch nicht respektierte. Das gilt bis heute.
Dadurch wurde diese Kirche krank. Sehr krank. 
Die Gräueltaten ihres Bodenpersonals im Rahmen der Inquisition gegenüber den Katharern und gegenüber Hexen führe ich darauf zurück.
Wer dem Weiblichen nicht dem ihm zustehenden Raum gibt, kann das Leben nicht achten, geschweige denn lieben. - Und das als Kirche!
Doch selbst für die kranken Männer der Katholischen Kirche mag eine Feigenblatt-Maria seelisch gesehen ein Segen gewesen sein, weil sie, wenn auch unbewusst, wirken konnte.
Die Bedeutung des mittelalterlichen Marienkultes
Etwas erstaunt hatte ich bei White Eagle gelesen, welch überragende Bedeutung er in seinem Buch Die Göttliche Mutter Maria beimisst - später dazu mehr - und war gleichermaßen etwas erstaunt über die auf mich übertrieben wirkenden Worte Rudolf Steiners:
Es gibt schon im ganzen Mittelalter eine großartige Vorbereitung für das Erzeugen des anderen Geschlechts im Manne auf geistige Weise. Der Mann erzeugt durch Konzentration in sich zuerst als Gedanke, was später in ihm als Sein entstehen soll. Daher entstand im ganzen Mittelalter als Vorbereitung dazu der Marienkultus. Der ist nichts anderes als die Konzentration zur Erzeugung des Weiblichen im Männlichen, während beim Weibe der Jesus-Kult dem gleichen Zweck dient. (GA 93, S. 227)
Das Weibliche soll also auf geistige Weise im Mann entstehen? Er hat doch nach Steiner einen weiblichen Ätherleib. Geschieht dann noch mehr?
Seiner Meinung nach offensichtlich: ja!
Was heißt das, dass das Weibliche auf geistige Weise in dem Mann entsteht und dann vorhanden ist? Als Sein vorhanden ist?
Was bedeutet das für die Realität der Männer und der Menschen?
Und ist das mittlerweile geschehen?
Wohl kaum. Sehr unwahrscheinlich, dass die aktuelle Männerwelt mit ihrer weiblichen Seite dieses Sein repräsentiert. Natürlich sind in den vergangenen Zeiten einige vorangegangen und auch heute gibt es gewiss Männer, wenn es auch wenige sein mögen, die sich diesem Sein nähern bzw. es in sich tragen.
Jedenfalls ist mir erst mit der Zeit aufgegangen, welch wichtige Aussage das Steiner-Zitat enthält.
Tatsächlich nähern wir uns erst dem seelischen Umstand und Zustand, dass das Weibliche im Mann und das Männliche in der Frau als Sein existieren.
Als Sein existieren bedeutet - und man möge bei meinen Aussagen immer davon ausgehen, dass ich das so sehe und meine Sicht niemanden aufoktroyieren will -, dass ich ein Bewusstsein des Weiblichen in mir habe und es auf der seelischen Ebene spüre, so wie ich auf der körperlichen Ebene den mittleren Zehen jeden Fußes wahrnehmen könnte, wenn ich es denn kann.
Das erst ermöglicht dem Mann eine ganz andere Weise, in der Welt zu existieren, als es bisher vorhanden ist. 
Der Mensch ist männlich-weiblich erschaffen. Ich habe ja schon verschiedentlich darauf hingewiesen, dass Luthers Übersetzung ungenau, ja falsch ist, wenn er übersetzt, dass Gott den Menschen schuf, „und schuf sie als Mann und Frau“. Noch die Ausgabe 2017 der Lutherbibel übernimmt diese falsche Übersetzung, denn im Urtext steht kein „und“; Gott schuf den Menschen, wie er selbst ist: männlich-weiblich.
Für das Erwerben dieses Seins ist die sogenannte Madonna von großer Bedeutung. Das Wort leitet sich her aus dem lateinischen mea domina - meine Frau, meine Gebieterin - und wurde über italienisch ma donna zu dem Wort, mit dem die Gottesmutter auch bezeichnet wird.

Raffael hat mit seiner Sixtinischen Madonna einen sehr, sehr großen Einfluss darauf genommen, dass dieses Wort eine solche Strahlkraft erhalten hat; man möchte ja empfehlen, dass in jeder Wohnung von irgendeiner Wand diese Madonna Raffaels herabschauen möge. Als Bild herabschauen, denn die Madonna selbst richtet ihren Blick in eine Richtung, über die man sich Gedanken machen mag.
Dass ich zu dieser Sichtweise gelangt bin, verdanke ich Rudolf Steiner, den ich sehr schätze, auch wenn ich kein Anthroposoph bin. Auf meinem Facebook-Account habe ich drei Zitate von ihm wiedergegeben (https://bit.ly/3k7Ojub), die belegen, welche umfassende spirituelle Bedeutung er diesem Gemälde zumisst. Eines beginnt mit dem Satz:
Wenn wir diese Gestalt mit den Mitteln der Geisteswissenschaft ins Auge fassen, können wir erfahren, daß sie mehr leistete für die Verbreitung des Christentums, für das Hineinleben eines interkonfessionellen Christentums in die Herzen und Gemüter der Menschen, als alle theologischen Interpreten, als alle Kardinale und Päpste seiner Zeit.
Goethe hat im Jahre 1815 für Raphaels Meisterwerk folgende Worte gefunden:
Sehen Sie hier mit den größten Meisterzügen der Welt Kind und Gott und Mutter und Jungfrau zugleich in göttlicher Verklärung dargestellt. Das Bild allein ist eine Welt, eine ganze volle Künstlerwelt und müsste seinen Schöpfer, hätte er auch nichts als dies gemalt, allein unsterblich machen.
Zu dieser Auffassung hat sich Goethe erst im Alter hinentwickelt. Ursprünglich schenkte er der Raffaelschen Madonna wenig Beachtung. Das mag sich geändert haben durch das Schreiben seines Faust, denn sein Genius führte ihn dazu, sich mit der Helenagestalt zu befassen bzw. über deren Gestaltung einen Inhalt in Versen niederzuschreiben, den viel mehr Menschen kennen sollten und ohne dessen Kenntnis man zumindest keinen Gymnasiasten aus der Schule entlassen sollte.
Im ersten Teil des Faust führt Mephistopheles im Zuge seines Programms, mittels dessen er die Wette mit dem Doktor gewinnen will, in deren Rahmen es darum geht, dass er Faust dazu bringt, zum Augenblicke zu sagen:„Verweile doch! du bist so schön!“, auch in die Küche einer Hexe, doch muss er schnell erkennen, dass er mit diesem Umfeld bei Faust nicht landen kann. Der hält von dem ganzen magischen Gebrodel, das die dort anwesenden Tiere noch in Abwesenheit der Hexe veranstalten, nichts. Während Mephistopheles sich mit dem Kater und der Kätzin - wie sie im Faust genannt wird - beschäftigt und der Kater ihn gerade nötigt, sich hinzusetzen, ist Faust ganz in den Bann eines Spiegels geraten, dem er sich in mehrfachem Wechsel nähert und dann wieder entfernt, kann er doch kaum glauben, was er sieht:
Was seh ich? Welch ein himmlisch Bild
Zeigt sich in diesem Zauberspiegel!
O Liebe, leihe mir den schnellsten deiner Flügel,
Und führe mich in ihr Gefild!
Ach wenn ich nicht auf dieser Stelle bleibe,
Wenn ich es wage, nah zu gehn,
Kann ich sie nur als wie im Nebel sehn!-
Das schönste Bild von einem Weibe!
Ist's möglich, ist das Weib so schön?
Muß ich an diesem hingestreckten Leibe
Den Inbegriff von allen Himmeln sehn?
So etwas findet sich auf Erden? 
MEPHISTOPHELES:
Natürlich, wenn ein Gott sich erst sechs Tage plagt,
Und selbst am Ende Bravo sagt,
Da muß es was Gescheites werden.
Für diesmal sieh dich immer satt;
Ich weiß dir so ein Schätzchen auszuspüren,
Und selig, wer das gute Schicksal hat,
Als Bräutigam sie heim zu führen! 
(Faust sieht immerfort in den Spiegel. Mephistopheles, sich in dem Sessel dehnend undmit dem Wedel spielend, fährt fort zu sprechen.)
Hier sitz ich wie der König auf dem Throne.                                                                  Den Zepter halt ich hier, es fehlt nur noch die Krone. 
DIE TIERE (welche bisher allerlei wunderliche Bewegungen durcheinander gemacht haben, bringen dem Mephistopheles eine Krone mit großem Geschrei): 
O sei doch so gut,
Mit Schweiß und mit Blut
Die Krone zu leimen!

(Sie gehn ungeschickt mit der Krone um und zerbrechen sie in zwei Stücke, mit welchen sie herumspringen.) 
Nun ist es geschehn!
Wir reden und sehn,
Wir hören und reimen-
FAUST (gegen den Spiegel):
Weh mir! ich werde schier verrückt.

Just in diesem Moment kommt die Hexe durch den Schornstein heruntergefahren, entsetzlich schreiend, weil ausgerechnet gerade der Kessel überläuft und eine große Flamme entsteht, die zum Schornstein hinausschlägt.
In der Folge gibt sich die Hexe mit Faust alle Mühe, doch kommt sie bei diesem nicht an, er findet, dass sie im Fieber rede. So veranlasst Mephistopheles noch die Hexe, dem Faust einen Zaubertrank zu kredenzen, der in ihm, wie die Hexe sagt, Cupido, die Begierde, in Wallung bringt und den Gelehrten das Leben auf andere Weise erleben lassen soll, was auch geschieht - zu Lasten Gretchens, dem er anschließend begegnet und total auf sie abfährt.
Bezeichnenderweise aber will er beim Verlassen der Hexenküche noch einmal in den Spiegel schauen
Das Frauenbild war gar zu schön! 
MEPHISTOPHELES:
Nein! Nein! Du sollst das Muster aller Frauen
Nun bald leibhaftig vor dir sehn.
(Leise.)
Du siehst, mit diesem Trank im Leibe,
Bald Helenen in jedem Weibe.
Mit diesem letzten Satz ist die Wirklichkeit des Verhältnisses von Mann und Frau auf der Erde angesprochen, wie es seit dem sogenannten Sündenfall existiert. Es ist zugleich auch das Drama um den kranken Gralskönig Anfortas angesprochen, das ja genau diese Thematik beinhaltet, denn Anfortas wird bekanntlich mit einem Speer bezeichnenderweise an der Scham verletzt, weil er ein Gralsgesetz überging, demzufolge der Gral dem Gralskönig seine Frau als zukünftiger Gralskönigin zuweist.
Man versteht diesen Mythos nur, wenn man weiß, dass der Gral nichts anderes ist, als ein Herz, das erfüllt von Christusbewusstsein ist.
Nur ein neues Bewusstsein, das als Parzival auftreten wird, kann den siechen Gralskönig von seinen Qualen durch die sogenannte Mitleidsfrage erlösen. Dass aber dies möglich ist und Parzival dies leisten kann, dazu musste er durch viele Leiden gehen, lange und scheinbar vergeblich das Gralsschloss suchen, wobei er diese Suche nur deshalb erfolgreich gestalten konnte, weil sein Pferd, dem er, zuletzt völlig verzweifelt, die Zügel überließ, ihn zur Klause des Trevrizent bringt, der ihm die Karfreitagsbotschaft übermittelt. Durch sie und durch seine Bereitschaft, sie willig aufzunehmen, kann er das Gralsschloss finden und Anfortas erlösen, der nichts anderes darstellt als unser altes Bewusstsein, das der Parzival in uns erlösen möchte.
Die drei B´s
Ein bedeutsames Thema aber, das der zuletzt zitierte Satz aus dem Faust und auch der Gralsmythos ansprechen, ist das Verhältnis von Liebe und Begehren, im Faust cupido genannt.
Viele von uns werden aus eigener Erfahrung wissen, welche Bedeutung dem Verhältnis von Liebe und Begehren zukommt, wenn wir eine neue Beziehung eingehen. Immer wieder sprechen Menschen von der großen Liebe, ohne das Bewusstsein dafür zu haben, wie sehr deren Wahrnehmung durch Begehren überlagert ist. Oft überlagert doch Letzteres unser Gefühl dafür, ob wir wirklich eine Beziehung aus Liebe eingehen, einmal davon ganz abgesehen, dass nicht wenige gar nicht wissen, was Liebe wirklich ist. Gerade jene, die häufig davon sprechen, wissen oft am wenigsten, was es mit ihr auf sich hat. Ich selbst gestehe gern, dass ich in Bezug auf sie ein Suchender bin.
Gibt es Liebe ohne Begierde, ohne Begehren? 
Von Maria und Josef wird gesagt, dass sie, als sie Jesus zeugten, einander liebten ohne Begehren.
Begierde ist keine Sünde - ich mag letzteres Wort absolut nicht, gerade auch nicht in diesem Zusammenhang. Begierde ist ein Charakteristikum unseres Seins, ein Charakteristikum für unser Verhältnis zum anderen Geschlecht, oder - in dem ein oder anderen Fall - zum gleichen.
Und - wie das Begehren - so spielen für mich, Bedingungen zu stellen im Rahmen einer Partnerschaft und unbewusst/bewusst Besitz ergreifen zu wollen eine ganz wichtige Rolle. Vielleicht kann ich im Rahmen der sich anschließenden Beiträge - u.a. zum Tannhäuser-Weg - noch darauf eingehen. Für die Weise, wie Menschen Beziehungen führen, halte ich diese drei B´s für elementar: 
begehren, Bedingungen stellen, besitzen wollen. 
Über ihr Wahrnehmen kann man vieles, was in Beziehungen unbewusst abläuft, tiefgehender verstehen.
Ist möglicherweise Kunst von 2 Personen

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