Seiten

Dienstag, 10. Oktober 2023

Alles fühlt. Doch Gefühl ist nicht alles! - Vom Denken zum Herzdenken!

In dem so genannten Religionsgespräch, in welchem Margarete Faust hinsichtlich seiner Auffassung gegenüber der Religion auf Herz und Nieren zu prüfen sucht, muten jene folgenden höchst salbungsvollen Worte, die angesichts der Tatsache, dass Faust sich noch wenige Tage zuvor Mephistopheles - sagen wir also ruhig: dem Teufel - verschrieben hatte, gewiss ziemlich ungewöhnlich an. Doch was tut ein Mann nicht alles, um eine junge Dame ins Bett zu bekommen. Das wird ihm gelingen dank eben jenes Mephisto, der für die Mutter Gretchens, damit die beiden sich ungestört ihrer Liebe widmen können, einen Schlaftrunk besorgt, an dem diese allerdings sterben wird.
Jedenfalls hätten die Worte, die Faust für Gretchen findet, um sie von seiner religiösen Integrität zu überzeugen, jedem Pfarrer zur Ehre gereicht (wie das dann übrigens auch Gretchen zutreffend äußern):

Wer darf ihn nennen?
Und wer bekennen:
»Ich glaub ihn!«?
Wer empfinden,
Und sich unterwinden
Zu sagen: »Ich glaub ihn nicht!«?
Der Allumfasser,
Der Allerhalter,
Faßt und erhält er nicht
Dich, mich, sich selbst?
Wölbt sich der Himmel nicht da droben?
Liegt die Erde nicht hier unten fest?
Und steigen freundlich blickend
Ewige Sterne nicht herauf?
Schau ich nicht Aug in Auge dir,
Und drängt nicht alles
Nach Haupt und Herzen dir,
Und webt in ewigem Geheimnis
Unsichtbar sichtbar neben dir?
Erfüll davon dein Herz, so groß es ist,
Und wenn du ganz in dem Gefühle selig bist,
Nenn es dann, wie du willst,
Nenn's Glück! Herz! Liebe! Gott
Ich habe keinen Namen
Dafür! Gefühl ist alles …

Noch vor wenigen Tagen war Faust an all dem Wissen der damals gängigen Wissenschaften, das er sich angeeignet hatte - wir entnehmen das der Szene „Nacht“ zu Beginn der Fausthandlung - verzweifelt. Allerdings hatte er in der Folge nicht sein Heil in neu entflammten Gefühlen gesucht, sondern sich der Magie übergeben.
In den obigen Versen allerdings gibt er den Gefühlsexperten, glaubend, dass Margarete auf diese Schiene abfahren werde.
Wie spirituell verantwortungslos seine Aussage ist und warum eine neue Sicht auf Gefühle und Denken gerade heute so wichtig sind, darauf möchte ich nachher zu sprechen kommen.
Hier sei zunächst gesagt, dass das scheinbar so unbedarfte Gretchen keineswegs auf Fausts Schwall hehrer Worte hereinfällt, weiß sie doch auf seine Suada mit
„du hast kein Christentum“ zu reagieren, schließlich spürt sie zu genau, wo das Problem liegt: „Es tut mir lange schon weh, / Daß ich dich in der Gesellschaft seh.“ Gemeint ist Mephisto.
Wie sehr Faust bereit ist zu heucheln, um die junge Dame dahin zu bekommen, wohin er sie haben möchte (wobei gesagt sein muss, dass Margarete offensichtlich mitnichten abgeneigt war), wird deutlich an seiner scheinheiligen Frage auf Margaretes letzte Aussage hin: „Wieso?“
Noch wenige Stunden zuvor hatte er dem Erdgeist gegenüber sich darüber beschwert, dass jener ihm diesen Gesellen - eben Mephisto - als Gefährten zugesellt habe. Auf einmal will er gegenüber Margarete nicht wissen, was sie meinen könnte.
Offensichtlich ist Gefühl doch nicht alles.

2007 erschien ein wegweisendes Buch mit dem Titel „ALLES FÜHLT. Mensch, Natur und die Revolution der Lebenswissenschaften“, verfasst von Andreas Weber, promovierter Biologe und Philosoph. Weber ging es um einen notwendigen gesellschaftlichen und wissenschaftlichen Paradigmenwechsel, was unsere Sicht auf Bedeutung und Stellenwert der Gefühle betrifft. Wenn man es aus heutiger Sicht formuliert, hatte Weber erkannt, dass unsere Erde und damit unsere Spezies nur überleben kann, wenn Gefühl nicht weiterhin als humane Kollateralerscheinung vernachlässigt wird, sondern Empfindungen als essentielle Qualität allen Lebens gewürdigt werden.
Seit 2007 hat sich viel geändert, u.a. allerdings auch, dass Männer weicher und manche Frauen härter geworden sind - wenn ich das hier mal etwas verkürzt auf den Punkt bringen möchte.
Gefühle sind in den Sozial- und den Naturwissenschaften zunehmend in den Mittelpunkt der Beobachtung gerückt. Subjektivität hat einen ganz neuen Stellenwert gewonnen und niemand wird heute mehr behaupten, dass ein von Menschen entwickeltes Experiment wirklich objektiv sein könne - die Quantenphysik lässt grüßen.
Gerade im esoterisch-spirituellen Bereich hatte das zur Folge, dass die Bedeutung der Gedanken vernachlässigt wurde, und das, obwohl ein Rudolf Steiner im ersten Viertel des 20. Jahrhunderts eindringlich und wiederholt auf die Bedeutung klarer und reiner - er spricht von ihrer Leibfreiheit - Gedanken verwiesen hatte. Nach ihm ist eine seelisch-geistige Entwicklung ohne die Fähigkeit zu logischen und klaren Gedanken nicht möglich, ansonsten alles, so lassen sich seine Gedanken zusammenfassen, in mystischem Geschwurbel ende und zu leicht geistig minderwertige Kräfte zur Seele Zugang fänden. Nach ihm ist der Christusweg nur begehbar, wenn man in der Lage ist, den luziferischen und ahrimanischen Attacken, denen der Schlange also und Satan, gedanklich klar zu begegnen.

Menschen neigen dazu zu unterschätzen, wie sehr sich innerhalb weniger Jahrhunderte die Qualität der menschlichen Seele verändert hat. Noch bis zum 9. Jahrhundert - ein Näherungswert - waren den Menschen, soweit sie sich damit beschäftigten, Gedanken Offenbarungen des Göttlichen. Damals war es ihnen wie selbstverständlich, dass Gedanken etwas seien, was ihnen von außen zufließe. Zunehmend änderte sich dies:
Menschen nahmen ihre Seele wahr als etwas, was in ihnen die Gedanken selbst bilde. Der Mensch begann sich selbst als intelligent zu empfinden (was in Perversionen wie dem Intelligenzquotienten einen bemerkenswerten Höhe-, oder sagen wir Tiefpunkt fand). Damit verbunden war auch eine innere Abkoppelung vom Kosmischen, gewiss allerdings noch nicht in Menschen wie Thomas von Aquino (der sogenannte Universalienstreit bildet den damalig diesbezüglich geistigen Kampf der Menschheit ab).
Obwohl noch die Regentschaft der Erzengel Raphael, Samael und Gabriel vorausgingen - jeweils 300 - 350 Jahre - begann allerdings hier schon der Einfluss des Erzengel Michael und seine Auseinandersetzung mit Satan/Ahriman. Ahriman, der Fürst dieser Welt, wie ihn die Bibel bezeichnet, ist im Kosmischen ein hoch –, ja überintelligentes Wesen, dessen Intelligenz allerdings den niederen Bereich menschlichen Seins bedient, nieder deshalb, weil er Seelen, die auf ihn abfahren, an das Materielle bindet (Steiner hat ihn deshalb mit flacher, nach hinten fließender Stirn abgebildet und seinem Wesen den Spott zugeordnet; Ahriman spottet im Grunde über Menschen, gerade über jene, die ihm folgen).
Michael geht in den Kampf mit ihm und es gelingt ihm, ihn 1879 auf die Erde zu schleudern. Für die Menschheit ist dies deshalb von so großer Bedeutung, weil nun die Auseinandersetzung jedes Einzelnen mit diesem Wesen beginnt und unvermeidbar ist, wenn die Seele sich wirklich zum Geistigen, zu Michael und Christus hin entwickeln will.
Wenn wir uns an den Computer setzen, das Smartphone in die Hand nehmen oder Geld ausgeben befinden wir uns im Grunde genommen automatisch auf dem Gebiet Ahrimans. Warum beispielsweise das Smartphone solch ein Suchtpotenzial beinhaltet, wird auch auf diesem Hintergrund deutlich. Und Satan/Ahriman ist es beispielsweise gelungen, mit dem Börsenwesen etwas zu installieren, was sich so verselbstständigt hat, dass es menschlichen Zugriff entglitten ist und Ahrimans Lieblingsspielzeug ist. Börsenkurse spielen heute, wie der Schwabe sagen würde, Hugoles mit den Menschen und seiner Wirtschaft. Ahriman lacht sich ins Fäustchen. Gleiches gilt für den Wett– und Lotto-Tottobereich.
Davon abgesehen, dass die Schlange, sprich Luzifer weiterhin ihr Unwesen treibt, bevorzugt im esoterischen Bereich, hat eine Gegenbewegung zu Ahriman/Luzifer eingesetzt, die mit dem dem Wesen, das wir Michael nennen, verbunden ist, zumindest wird das mehr und mehr Menschen deutlich.

Ich bin kein Anthroposoph, aber möchte dennoch jenen, denen es wie mir geht, empfehlen, Steiners Gedanken zu prüfen und ihm gegebenenfalls sich gegenüber zu öffnen. Für mich jedenfalls möchte ich sagen, dass seine geistigen Impulse mein Leben verändert haben. Dass ich kein Anthroposoph bin, hängt damit zusammen, dass ich die Anthroposophische Gesellschaft für einen ziemlich schlappen Verein halte - ihr Corona-Management war für mich ein spirituelles Desaster - und ich habe früher vieles Anthroposophische als zu eng empfunden, wobei ich sagen möchte, dass es aktuell Anthroposophen gibt, mit denen zusammen zu sein ich als wertvoll für mich empfinde; das gilt zur Zeit für mein gastfreundliches und menschlich liebevolles Aufgenommensein in dem Würzburger Zweig der Anthroposophischen Gesellschaft.
In einigen Vorträgen hat sich Rudolf Steiner zum Wirken Michaels geäußert, so weist er darauf hin, dass jener kein Geist ist, der Seelen beträufelt, sondern möchte - um es mit meinen Worten zu formulieren -, dass der Mensch in Vorleistung geht, um in Michaels Wirken integriert zu werden.

Mir persönlich war besonders aufschlussreich, dass nach den Worten Steiners Michael in den Herzen der Menschen Platz finden möchte, um die Gedanken eines Menschen vom Kopf ins Herz zu holen. Hier bekommen sie eine Qualität, die die Welt verändert. Diesen - wie ich sie nenne - Herzgedanken möchte ich einen eigenen Beitrag in Kürze widmen, ansonsten doch hier der Rahmen gesprengt wird. Dann mag auch deutlich werden, warum gerade heute ein „Gefühl ist alles“ im Verführungsarsenal eines Luzifer einzuordnen ist.

Keine Kommentare: