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Mittwoch, 29. November 2023

Brüder Grimm: „Der Gevatter Tod“ - ein noch weitgehend unverstandenes Märchen

Inhaltlich haut einen das Märchen nicht gerade vom Hocker, man möchte die Handlung fast als etwas trivial bezeichnen und sich auch fragen: dieser Schluss, ist der ein Märchen wert, eines Märchens würdig?

Im Original findest Du das Märchen hier ( https://lmy.de/IHOo ) und zusammenfassen lässt sich der Inhalt so:

Verzweifelt rennt ein armer Mann auf die Straße und sucht für sein 13. Kind nach einem Gevatter (heute versteht man darunter einen Paten). Er begegnet Gott, doch als der sich als eben jener outet, lehnt er ihn als Gevatter ab, ebenso wie den Teufel, auf den er anschließend trifft. Über die Gründe der Ablehnung kann man gewiss streiten, sonderlich originell sind sie nicht.
Alle guten Dinge sind drei, er begegnet dem Tod, und dessen Begründung, dass er alle gleich mache, überzeugt den armen Familienvater, in jenem den richtigen Gevatter gefunden zu haben.
Für den Rest des Märchens verschwindet im Übrigen unser Armer von der Bildfläche; der Tod macht sich nämlich an dessen Kind heran, wohl liebt er, wie wir es von Mephistopheles in Goethes „Faust“ wissen, die vollen, frischen Wangen („für einen Leichnam bin ich nicht zu Haus“). Er verspricht dem jungen Erwachsenen, ihn zu einem berühmten Arzt zu machen, und das einzige ist, jener muss sich an seine Bedingungen halten.
Wie kaum anders zu erwarten: der Mann scheitert an den Bedingungen, u.a., weil er den Tod glaubt austricksen zu können. Letzterer ist sogar noch so großzügig und lässt ihn fürs erste leben, doch als der Sohn beim zweiten Mal die Bedingung übertritt, kassiert der Tod sein Leben.

Leider habe ich keine Interpretation zu diesem Märchen gefunden, leider auch nicht bei dem bekannten anthroposophischen Märchendeuter Rudolf Geiger, mich hätte doch zu sehr interessiert, wie aus diesem Märchen ein tiefer Sinn herauszuholen ist. Dass der Tod im Leben und über das Leben siegt: dafür ein Märchen zu schreiben lohnt sich doch wirklich nicht. Vielleicht mag etwas erstaunlich sein, dass der arme Mann Gott als Gevatter ablehnt, zumal seine Begründung doch etwas nebulös daherkommt. Aber in der Beziehung zwischen Gott und Mensch ist man Nebulöses gewohnt.

Märchen sind ja nicht vom Volk geschrieben, wie man immer zu sagen pflegt, in Wirklichkeit sind sie rosenkreuzerischen Ursprungs oder verfasst von Eingeweihten bzw. Seelen, die auf diesem Weg unterwegs waren. Manchmal ist jedes Wort in einem Märchen wichtig, und dass ein Volk diese Märchen zusammengebastelt habe und dennoch jedes Wort wichtig sein soll - wer’s glauben mag, soll’s glauben.
Ich weiß nicht, ob der Verfasser dieses Märchens meinem Verständnis zustimmen würde, aber im Rahmen meines Blickes auf dieses Märchen erkenne ich - entgegen dem ersten Augenschein - einen tiefen Sinn. Er ergibt sich aus der Tatsache, dass - öfter als wir ahnen, wenn von Gott die Rede ist - ungewollt nicht Gott das eigentliche Ziel der spirituellen Begierde ist, sondern Luzifer, die alttestamentarische Schlange (mehr zu Luzifer hier: https://lmy.de/JLEk )
Vergleichbares gilt für den Fall, dass Himmel und Hölle angesprochenn sind: dann bezieht sich der Himmel nicht auf Gott - der unerschaffene Gott kennt keinen Gegensatz -, sondern auf Luzifer.
Luzifer ist jene Wesenheit, die unter jenen, die Golgatha nicht verstanden haben oder nicht verstehen wollen, absahnt und sie ganz stolz in seinem Zug der Weisheit, seines Lichts - Luzifer bedeutet übersetzt „Lichtträger“ - das ohne Liebe ist, mitlaufen lässt; darunter gibt es viele esoterische oder auch spirituelle Menschen, die unglaublich geistvoll reden können; doch sie stehen einer bekannten Zahnpastamarke näher als Golgatha.
Gott wird oft also mit Luzifer verwechselt; es gibt allerdings hier noch einen weiteren Aspekt und ich teile die Ansicht Rudolf Steiners, dass viele Menschen, die Gott ansprechen, im Grunde mit ihrem Engel oder ihrer letzten Devachangestalt sprechen, jener Gestalt also, die sie sind, bevor sie ihre nächste Lebensreise antreten: in Letzterem Fall also würden sie im Grunde mit sich selbst sprechen.
Ein Paradebeispiel dafür ist Rainer Maria Rilke mit seinen Zeilen aus seinem „Buch vom mönchischen Leben“, wir lesen dort:

Du, Nachbar Gott, wenn ich dich manchesmal
in langer Nacht mit hartem Klopfen störe, -
so ists, weil ich dich selten atmen höre
und weiß: Du bist allein im Saal.

In Wahrheit spricht Rilke im Grunde mit sich selbst.
Jemand könnte denken, dass das doch besser sei, als auf Luzifer hereinzufallen; ich bin mir allerdings nicht sicher, ob die Selbsttäuschung nicht viel langanhaltender sein könnte.

Die Hölle und damit Ahriman - in der Geisteswissenschaft Steiners entspricht er dem Satan des Christentums - aber ist jene im Übrigen höchst intelligente Wesenheit, die den Menschen an die Erde bindet und dessen Bewusstsein im Materiellen und Physischen steckenbleiben lässt. Zur Zeit versuchen einige Menschen mit Hilfe künstlicher Intelligenz u.a, Leben zu verlängern, ja, dem Tod womöglich ein Schnippchen schlagen zu können. - Satan/Ahriman amüsiert das köstlich.
Soweit vorläufig zu dem angesprochenen Dualismus von Himmel und Hölle; später mehr dazu.

Sehr viel habe ich im Rahmen meines Studiums der ein oder anderen Schrift Rudolf Steiners gelernt von jener Episode, die jener in der GA 148, seinem so genannten Fünften Evangelium wiedergibt, als er schildert, dass Jesus beim Durchschreiten eines Stadttores einer Essäerstadt wahrnimmt, wie Ahriman und Luzifer, die er immer an dem Stadttor gesehen hat, nie aber in der Stadt, von den Stadtmauern fliehen und ihm wird bewusst, dass die Essäer, indem sie die beiden vertreiben, dies auf Kosten der anderen Menschen tun, die diesen beiden umso mehr ausgesetzt sind. Auf diese Weise wollen Essäer und manche Menschen heilig werden. Es sind die Säulenheiligen und Yogis, die ein Leben lang einen Meter über der Erde schweben und glauben, dem Himmelreich nahe zu sein, jene Esoteriker, für die immer alles gut ist, weil sie in Wirklichkeit der Realität des Gegenteils ausweichen.
Jesus erkannte damals, dass genau das, das Aussperren des sogenannten Bösen, nicht sein Weg ist. Menschen, die sich für das Göttliche qualifizieren, die zurück in die wahre Heimat wollen, erreichen eine für uns noch kaum vorstellbare Bewusstseinstiefe durch die Auseinandersetzung mit den Machenschaften Luzifers und Satans/Ahrimans, und indem sie letztendlich beide in sich erlösen.
Mich persönlich haben die Ausführungen Steiners überzeugt, und natürlich muss jeder für selbst entscheiden, ob er dessen Blicken in die Akasha-Chronik und seinen Vorstellungen von der eigentlichen Realität des Lebens zustimmen mag.
Jenen Weg jedenfalls zwischen Ahriman und Luzifer - in ständiger Auseinandersetzung mit beiden - erfasst die Steinersche Lehre als den Weg der Menschen, den Weg der Menschen der zehnten Hierarchie, einen Weg, den die vorausgegangenen neun Hierarchien ( https://lmy.de/FUvs ) vielleicht nicht kreiert haben - das obliegt, denke ich, der göttlichen Trinität -, den sie aber mittels einer irdischen Realität, wie sie so noch nie im All vorhanden war, umgesetzt haben und mit Hilfe des sogenannten Bösen, mit Hilfe von Krankheiten und Tod. Dieser Weg ist es, der zu einem Bewusstsein führt, das im Universum neuartig und und in dieser Dimensionalität noch nicht erreicht worden ist.
Selten wissen die Menschen, wie sehr das gesamte Universum, alle Multiversen, auf sie schauen, wie unfassbar viele Wesen an ihrem Weg beteiligt sind, durchaus auch als Gegenspieler, aber als solche im Rahmen dieses neuen Weges unverzichtbar für die Entwicklung des Menschen. Im „Faust“ weiß der Herr in seinem Gespräch mit Mephistopheles, warum:

Des Menschen Tätigkeit kann allzu leicht erschlaffen,
er liebt sich bald die unbedingte Ruh;
Drum geb ich gern ihm den Gesellen zu,
Der reizt und wirkt und muß als Teufel schaffen.

Der Geselle ist Mephistopheles und Goethe, der bei aller Genialität noch nicht Satan/Ahriman und Luzifer unterschiedlichen Wirkweisen des sogenannten Bösen zuordnen konnte, hat beide in der Gestalt des Mephistopheles zur Darstellung gebracht

Für mich ganz entscheidend ist, das spirituelle Dilemma zu durchschauen, das der Dualismus mit sich bringt: immer stehen sich zwei Pole gegenüber und nie wird der Kampf zwischen beiden zu einem Frieden der Seele führen; das gilt selbst für Liebe versus Hass. Wer dieses Dilemma verstehen möchte, mag sich nur Golgatha vorstellen und dass dort zwei Kreuze stehen; nie hätte sich in der Folge etwas auf der Erde wirklich verändert. Nie wäre wirklich ein neues Bewusstsein auferstanden, nie hätte sich ein Weg der Erlösung aufgetan, in dessen Rahmen auch Ahriman und Luzifer erlöst werden wollen. Möglich allein wird dies durch das Rosenkreuz zwischen den beiden anderen.

Der Sohn des Alten, der sich im Märchen mit dem Tod arrangiert, sperrt entweder, wie die Esssäer, Satan und die Schlange bewusst aus und glaubt auf diese Weise sein Glück zu erreichen; oder - und diese Annahme ist wohl die wahrscheinlichere – er wusste nicht, was er tat, als er die Schlange ( = „Gott“) und den Satan von sich wies, glaubend, ein Leben ohne diese leben zu können (unabhängig also von seinen platten Begründungen). Auf dem Hintergrund dieses Bewusstseins kann er nur ein Opfer des Todes werden. Den Tod überwindet, „wenn er gleich stürbe“, wie es in der Bibel heißt, wer wie Parzival, d e r Mensch unserer Zeit, der sich zum Christushelden hinaufarbeitet, bereit ist, wie dieser zukünftige Gralskönig die Karfreitagsbotschaft, die jenem durch Trevrizent übermittelt wird, mit dem Herzen aufzunehmen. Wer den Karfreitagsweg nicht geht, wer glaubt, an Gethsemane außen vorbeigehen zu können und dennoch den Tod zu überwinden, der frage nach bei dem Sohn des Alten.

Es könnte die Absicht des Verfassers des Märchens gewesen sein, dass er Menschen, die auf dem Hintergrund des trivialen Endes nachdenklich werden, bewegen möchte, darüber nachzudenken, ob es nicht doch die Möglichkeit gibt, den Tod zu überwinden. Das könnte den ein oder anderen zu der Erkenntnis führen, dass Gott/Luzifer beziehungsweise den Teufel/Satan/Ahriman abzulehnen nicht der Weg von uns Menschen sein kann.
Momentan sehe ich dieses Bewusstsein noch wenig verbreitet. Der Osten stellt sich gegen den Westen, Juden gegen Palästinenser. Aber das Bewusstsein der Menschen ändert sich; die alten patriarchalischen Strukturen werden vielen Menschen immer fragwürdiger und das damit verbundene Wissen. Immer mehr Menschen lassen ihr Herz entscheiden und nicht mehr überkommene Strukturen.
Ich gehöre zu jenen, die eine heraufdämmernde Morgenröte in Bezug auf das Bewusstsein der Menschen zu erkennen glauben, weil sie Ja sagen zu den Herausforderungen Satans und Luzifers, aber nicht kuschen, sondern den Weg durchziehen bis zum Rosenkreuz, das ja eben kein Ende ist, sondern ein Tor zu viel mehr …

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