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Mittwoch, 17. Juli 2024

Unsere Gedanken sind der Leichnam des Geistigen, das wir verloren beziehungsweise beerdigt haben, als wir inkarnierten.

Es gibt nur wenige Vorträge Rudolf Steiners, die mich so sehr beeindruckt haben wie der sechste aus der GA 210, überschrieben „Über den Durchgang der menschlichen Geist-Seelenwesenheit durch die physisch-sinnliche Organisation“.

In diesem Vortrag, der inhaltlich wesentlich spektakulärer ist als die Überschrift klingt, macht Steiner darauf aufmerksam, dass, wenn wir die vorgeburtliche Welt verlassen, im Grunde genommen das Geistige in uns stirbt und – wie es auch ist, wenn wir hier sterben – ein Leichnam vorhanden ist, der nicht einfach verschwindet, sondern der sich uns zeigt, wenn wir auf unsere Gedankenwelt blicken. Steiner sagt: „Die Gedankenwelt ist der Leichnam unseres Geistig-Seelischen.“

Wir streben hier als Menschen, die sich seelisch geistig entwickeln wollen, ein Denken an, dass Steiner als sinnlichkeitsfreies Denken bezeichnet, an anderer Stelle spricht er auch vom Herzdenken [Erläuterungen hierzu auf Wortbrunnen https://t1p.de/7bshq ]. Dieses Denken hat nichts mehr zu tun mit dem Leichnam, der die Gedankenwelt des mehr materialistisch orientierten Menschen entspricht.
Wenn der Mensch sich um sinnlichkeitsfreies Denken, das im Herzen seinen Raum hat (wie Aristoteles noch wusste, wenn er auch ein ganz anderes Denken initiierte), bemüht, dann kehrt er im Grunde zurück zu jener Geistigkeit, die er verlassen hat vor der Geburt, und diese Rückkehr, die als Entwicklungsschritt ein großer Schritt vorwärts ist, gelingt, weil sein Denken kosmisch werden kann. 
Michael - früher Erzengel, mittlerweile Archai - verwaltet dieses kosmische Denken und vermittelt es auch den Menschen, die es ergreifen wollen; man kann es als Weltendenken bezeichnen. Dann ist der Weltenäther Träger dieser Gedanken und der Mensch trägt mit seinen Gedanken im Verein mit vielen Wesen der übersinnlichen Welt zur Entwicklung der Weltenseele bei.

Ich zitiere jene Stelle, die ich oben schon angesprochen habe, im folgenden ausführlicher; sie beginnt mit dem Hinweis, dass wir ursprünglich geistige All-Wesen waren, bevor wir uns hineinzwängten in die Enge irdischen Seins und nun zumeist annehmen, wie man heute noch bei professoralen Gehirnforschern wie Gerald Hüther und anderen irrtümlich lesen kann, dass unser Denken und unser kreatives Sein unseren Gehirnwindungen entspringt (die bekanntlich nur uns unser Denken spiegeln und und somit bewusst werden lassen können, dass wir denken, doch nicht die Quelle unseres Denkens sind). 

Hier nun der Auszug aus der GA 210, 95f:
Wir haben also zunächst das geistige Element, das da lebt im All, das sich gewissermaßen hineinbegibt in die enge Wohnung des menschlichen Leibes, sich namentlich durch das Nervensystem, durch das Gehirn entfaltet und sich dabei metamorphosieren muß. Dabei gliedert es sich in zwei Regionen. Man kann wirklich davon sprechen, daß das, was der Mensch vor der Konzeption in der geistig-seelischen Welt ist, beim Übergehen in die physische Leiblichkeit stirbt. Die Geburt in der physischen Leiblichkeit ist ein Absterben für das geistig-seelische Leben des Menschen. Beim Absterben bleibt immer ein Leichnam übrig. Wie, wenn der Mensch für die Erde stirbt, der Leichnam übrigbleibt, so bleibt auch ein Leichnam übrig, wenn das Geistig-Seelische, indem es durch die Konzeption zur Erde hingeht - wenn ich mich des Ausdrucks bedienen darf -, für das Himmlische abstirbt. Von dem, was nun da als ein Leichnam übrigbleibt, von dem leben wir eigentlich gedanklich unser ganzes Erdenleben hindurch. Der Leichnam ist nämlich die Gedankenwelt; das Tote, das ist diese Schattenwelt. So daß wir sagen können: Indem das Geistige des Menschen durch die Konzeption ins Erdenleben heruntersteigt, stirbt es für die geistig-seelische Welt ab und läßt diesen Leichnam zurück.
Geradeso wie der Leichnam des physischen Menschen in die irdischen Elemente sich auflöst, so löst sich für die geistige Welt das Geistig-Seelische auf und wird zu der Kraft, die in den physischen Gedanken entfaltet wird. Die Gedankenwelt ist der Leichnam unseres Geistig-Seelischen. So, wie die Erde den Leichnam verarbeitet, wenn wir ihn in die Erde legen, oder wie ihn das Feuer verarbeitet, wenn wir ihn verbrennen, so verarbeiten wir unser ganzes Leben hindurch den Leichnam unseres Geistig-Seelischen in unserer physischen Gedankenwelt. Also die physische Gedankenwelt ist im Grunde genommen das fortgehende Tote dessen, was als Wirkliches, als geistiges Leben vorhanden ist, bevor der Mensch in die physische Irdischheit heruntersteigt.

PS Am Ende des oben erwähnten Vortrags findet sich ein Hinweis zu zwei Entwicklungsströmungen, die die Menschheit geprägt haben; Steiner bezeichnet die eine als zum Heidentum gehörig - die Griechen sind hier ein leuchtendes Beispiel –; die andere ist geprägt durch Judentum, Jahve und das Alte Testament. Aus den beiden heraus sollte sich ein neues Christusbewusstsein entwickeln und natürlich hätte er sich gewünscht, dass in seiner Nachfolge die Anthroposophie diese Aufgabe leistet … Gegebenenfalls schreibe ich in den nächsten Tagen dazu einen Beitrag.

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