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Montag, 29. April 2024

Vom Notnagel Christus hin zu einem aktiven Christentum

"Denken Sie nur einmal, bei wie vielen Menschen der Christus eigentlich nichts weiter war in der Vergangenheit als eine Art Helfer in der Not für dasjenige, was der Mensch nur ja nicht selber tun mag. Jene eigentümliche Art, wie die römisch-katholische Kirche von einem bestimmten Zeitpunkte an die Sünden vergeben hat - man konnte sündigen, was man wollte, wenn man dann nur aufrichtig Buße leistete, Reue hatte und so weiter, so war einem das vergeben.

Schließlich, der Christus war da zum Helfen in der Not, zum Gutmachen desjenigen, was man selber gar nicht beabsichtigte in erheblichem Maße gutzumachen, von dieser Abirrung, wo man eigentlich auch passiv bleibt, das weltliche Leben, das weltliche Treiben für sich einrichtet, und dann womöglich nur dadurch, daß man an den Christus glaubt, daß man sich ganz in Passivität mit dem Christus verbunden fühlt, von dem Christus sich erlösen läßt - dieses zwiefache passive Verhalten zu dem Christus gehört und muß angehören der Vergangenheit. 

Und dasjenige, was an die Stelle treten muß, das muß sein ein Verhältnis zu dem Christus als zu einer aktiven Macht, ein Entgegengehen dem Christus so, daß er nicht für sich das tut, was man selber nicht gerne tut, sondern so, daß er einem durch sein Dasein die Kraft gibt, selber etwas zu tun. Ein aktives, oder besser gesagt, ein zur Aktivität kommendes Christentum ist dasjenige, was an Stelle des Passivitäts-Christentums treten muß, wo man im Grunde genommen - nun, verzeihen Sie, daß ich es so trivial ausdrücke - selber auf dem physischen Plane tut, was man will, und dann Gott einen guten Mann sein läßt, der einem alles verzeiht, wenn man nur im rechten Momente zu ihm zurückkommt. Das bezeichnet zu gleicher Zeit die Grenzscheide zwischen dem Zeitalter, das vergangen sein muß, das in eine furchtbare Menschheitskatastrophe hineingeführt hat, und dem, das da kommen muß und nur, wenn es ein Passivitäts-Christentum in ein Aktivitäts-Christentum überführt, geeignet sein kann, jede Schäden, die sich schon herausgestellt haben und die sich aus dem Vergangenheitsprinzip immer mehr herausstellen werden, zu heilen. Diese Schäden sitzen noch tief in den menschlichen Herzen und menschlichen Seelen. Und sie müssen geheilt werden, wenn die Erdenentwickelung weitergebracht werden soll."
 (R. Steiner am 19. Januar 1919; GA 273, S. 236f)

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