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Freitag, 13. September 2024

Die Kontrolle über Gott aufgeben !

Die Kontrolle über Gott aufgeben? 

Manchem, der diese Aussage liest, wird sie reichlich abstrus vorkommen. Kein Mensch kann doch Gott kontrollieren!

Doch, es geht.
Auf der sogenannten 3-D-Ebene, der Ebene der dritten Dimension, auf der, um es mit einem Bild aus dem Alten Testament anzusprechen, das goldene Kalb angebetet wird, der Ebene also, wo nur Materielles zählt, kontrollieren die Menschen Gott - um es genauer zu formulieren: der überwiegende Teil der Menschheit gibt sich der Illusion hin, Gott kontrollieren zu können.
Das betrifft jene, denen es einigermaßen bewusst sein könnte, was im spirituellen Bereich geschieht. Den meisten Menschen allerdings ist es nicht bewusst. Ihnen ist nicht bewusst, dass, ein Ego zu haben, bedeutet, zu entscheiden, welche Rolle Gott im Leben spielt und was ihm zugestanden wird, was nicht - gar keine, bei vielen, und aus geistiger Trägheit geschieht das unbewusst.
Ich will das an einem Beispiel verdeutlichen: Ich bin sehr christlich erzogen worden und habe festgestellt, dass religiöse Menschen einen strengen Gott haben, wenn sie selbst streng sind, d.h. streng mit sich umgehen und anderen. Andererseits habe ich Menschen kennengelernt, deren Gott ein sehr toleranter, sehr verständnisvoller Gott war. Oft waren das Menschen, die in Wirklichkeit in ihrem Inneren relativ unklar waren und oft unfähig zu klaren Entscheidungen. Eine gewisse Beliebigkeit in wichtigen Fragen war ihrem Inneren zu eigen. Entsprechend sah ihr Gottesbild aus, ihre Vorstellung von Gott. In Wahrheit kontrollierte ihr (dürftiges) Bewusstsein Gott.
Natürlich glaube ich, dass Gott alles versteht; zugleich aber hat er klare Anforderungen an die Menschen und diese äußern sich nicht mehr nur in den zehn Geboten, sondern seit 2000 Jahren gehen sie weit darüber hinaus: Sie betreffen das Verhältnis der Menschen zu ihrem Nächsten und zu sich selbst - das Praktizieren von Liebe setzt Selbstliebe voraus -; sie betreffen ein friedliches Miteinander, Geduld und Sanftmut, sie betreffen die sogenannten Früchte des Geistes, von denen die Bibel spricht, und von den Anforderungen, die sich aus der Bergpredigt ergeben.
Wie sich das in der Realität der Menschen dann äußert, das aber entscheidet das Ego der Menschen. Das Ego tritt also an die Stelle Gottes. Es kontrolliert, was in der Realität der Menschen spirituell sein darf, was nicht.
Um einem vielfachen Missverständnis entgegenzutreten: das Ego des Menschen ist von vornherein nichts Schlechtes, ja, das Ich des Menschen ist eine Notwendigkeit, um über ein Stammesbewusstsein hinauszuwachsen, um ein Individuum zu sein, um Individualität zu entwickeln. Dieses Ich, dieses Ego, das in die Menschheitsgeschichte einzubringen im übrigen die Mission des jüdischen Volkes war – „Ich bin der ich bin“: mit dieser Aussage Jahves tritt ja das Ich ein in die Weltgeschichte –, ist Voraussetzung dafür, dass im Zuge der Entwicklung der Menschheit ein anderes Ich überhaupt Raum finden kann in den Menschen - dazu gleich mehr.
Im übrigen ist von Bedeutung, dass die Worte „Jahve“ und „Eva“ miteinander verwandt sind. Die Aufgabe der Kontrolle über Gott, die Bereitschaft, sich hinzugeben und Hingabe als eine weibliche Gabe zu erkennen, beginnt momentan dazu beizutragen, dass die kaputte Männlichkeit, unter der die Menschheit leidet, offenbar wird.
Die göttlich-weibliche Seite trägt dazu bei, dass Männer zu wahrer Männlichkeit finden und die männliche Seite in der Frau ihre neue Rolle in der Gesellschaft unterstützt, ja, eigentlich erst ermöglicht. Deutschland ist viele Kanzlerjahre von einer Frau regiert worden, deren althergebrachte, für manchen versteckt, in Wirklichkeit sehr dominante männliche Seite alle Männer um sie herum dominierte und Deutschland in seiner Entwicklung unglaublich lähmte (allerdings haben wir nun einen Kanzler, bei dem man vergeblich eine akzeptable männliche und weibliche Seite sucht - letztendlich fördert dieser Umstand das Bedürfnis nach wahrer Männlichkeit und Weiblichkeit).
Ich bin kein Anthroposoph, es gehört für mich aber zu den faszinierenden Augenblicken in meinem Leben, als ich bei Rudolf Steiner las, dass die erste Person des Personalpronomens im Singular im Deutschen korrespondiert den Initialen von Jesus Christus: I-CH, Jesus Christus. Keine andere Sprache der Welt weist diesen Zusammenhang auf und diese Tatsache weist darauf hin, welche Bedeutung ursprünglich dem deutschen Kultur- und Geistessraum zukam, eine Bedeutung, die sich niederschlug in Werken wie Wolfram von Eschenbachs „Parzival“, Lessings „Die Erziehung des Menschengeschlechts“, Schillers ästhetischen Briefen oder Goethes „Faust“, um nur einige und wichtige zu nennen - im musikalischen Bereich gilt dies für das Werk Johann Sebastian Bachs oder das Richard Wagners, dessen spirituelle Herausforderungen bis heute viele Menschen überfordern und ihn deshalb plakativ bewerten lassen.
Ob im übrigen der deutschsprachige Kulturraum der ihm zugedachten spirituellen Aufgabe gerecht werden kann: das entscheidet sich in diesen Jahren.
Gott zu kontrollieren bedeutet auch, die geistigen Maßstäbe, die er vermittelt, in der Realität nicht Wirklichkeit werden zu lassen. Das ändert sich momentan sehr stark, und auch wenn die Menschen sich nicht aus göttlicher Überzeugung bewusster ernähren, bewusster der Natur gegenübertreten, eine andere Medizin anstreben, so ist es doch ihr göttliches Inneres, was hinter diesen Wandlungen steht.
Auch wenn viele, die „Ich“ sagen, sich nur unbewusst auf Jesus Christus beziehen, so wird, glaube ich, in den nächsten Jahren gerade im deutschen Sprachraum das Christusbewusstsein wachsen.
Wenn Jesus im Moment des Todes am Kreuz sagt: „Vater, ich befehle meinen Geist in deine Hände“, so öffnet sich menschheitsgeschichtlich in diesem Moment das Tor von einem globalen kollektiven Ego zu einem Ich, das den Christusgeist in sich tragen kann. Dieser Weg mag noch Jahrhunderte dauern, doch leben wir in einer Zeit – und dürfen dankbar sein, sie auf der Erde erleben zu dürfen –, in der die Menschheit zunehmend bewusst durch dieses Tor tritt.
In Gethsemane muss Jesus sehen, dass seine Jünger, die ihn seelisch unterstützen wollten, eingeschlafen sind und ihm bleibt nichts als zu sagen:„Vater, willst du, so nehme diesen Kelch von mir. Doch nicht mein, sondern dein Wille geschehe!“
„Dein Wille geschehen!“ Diese Worte, dieses Mantra, das wir auch im „Vater unser“ finden, kann für uns eine Formel und Formulierung der Hingabe sein, welche die Bereitschaft zum Ausdruck bringt: Ich gebe die Kontrolle über Gott auf! Ich befehle meinen Geist in seine Hände!

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