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Donnerstag, 31. Juli 2008

Von der bösen Königin in uns und ihrem verkehrten Herz: Lebensgefahr für Schneewittchen.


Wer ist die böse Königin, die Stiefmutter?
Das sind wir, das ist ein Teil von uns, von Dir, von mir.

Und der Spiegel: das ist die Möglichkeit zur Wahrheit, wie auch immer der Weg dorthin aussieht.

Wer den Spiegel verhängt, gar zertrümmert oder wer seine Wahrheit manipulieren will, hat kein Interesse mehr an der Wahrheit, er ist im Grunde tot im Leben; er hat einer Weiterentwicklung eine klare Absage erteilt: Still-Stand bedeutet in Wahrheit Rück-Schritt.

Was wir dann gar nicht mehr hören bzw. sehen wollen: Es gibt jenseits einer Gebirgskette, bestehend aus sieben Bergen, etwas, was schöner ist als Du. Dort, im Reich der sieben Zwerge, lebt Dein wahres Selbst, dahin hat es sich vor Dir retten müssen.

Anstatt sich mit ihm wieder zu vereinen, nimmt die böse Königin dreimal Anlauf, es endgültig zu vernichten. So will die böse Königin, also unser Ego, das Ewig-Weibliche in uns, unser Schneewittchen zur Strecke bringen.

Das Wappen der Stief-Mutter ist das verkehrte Herz, denn "von Stund an, wenn sie Schneewittchen sah, kehrte sich ihr Herz im Leibe herum", so heißt es zu Beginn des Märchens.




Natürlich wusste auch Goethe davon:

In unsers Busens Reine wogt ein Streben,
Sich einem Höhern, Reinern, Unbekannten
Aus Dankbarkeit freiwillig hinzugeben,
Enträtselnd sich den ewig Ungenannten;
Wir heißen's: fromm sein! - Solcher seligen Höhe
Fühl ich mich teilhaft, wenn ich vor ihr stehe.

Doch der Schluss seiner Marienbader Elegie,in der sich diese Zeilen finden, zeigt, dass er dieses Bewusstseins verlustig ist und doch weiß, dass die Sehnsucht danach immer bleibt. Es ist die Sehnsucht Tannhäusers nach der Heiligen Elisabeth, die Sehnsucht Fausts nach seinem Gretchen, die Sehnsucht des Heinrich von Ofterdingen nach der Blauen Blume. Vielleicht ein andermal mehr davon, von jener Suche nach der Blauen Blume, dem Goldenen Vlies, dem Heiligen Gral, dem Ewig-Weiblichen, dem Schneewittchen in uns ...


Montag, 28. Juli 2008

Für Kinder sind Erwachsene anstrengend

Die großen Leute haben mir geraten, mit den Zeichnungen von offenen oder geschlossenen Riesenschlangen aufzuhören und mich für Geographie, Geschichte, Rechnungen und Grammatik zu interessieren. So kam es, dass ich eine großartige Laufbahn, die eines Malers nämlich, bereits im Alter von sechs Jahren aufgab. Der Misserfolg meiner Zeichnungen Nr.1 und Nr.2 hatte mir den Mut genommen.



Antoine de Saint-Exupéry in DER KLEINE PRINZ
beide Zeichnungen aus der Heyne-Sonderausgabe, Zürich 1988
oben (Nr.1): kein Hut, sondern eine Riesenschlange
unten (Nr.2): Riesenschlange, einen Elephanten verdauend

Mittwoch, 23. Juli 2008

In uns lebt ein göttliches Kind ...


In uns lebt ein göttliches Kind von Beginn aller Zeiten an.
Es ist der Quell aller wahren Gefühle,
das göttliche Meer des Seins in uns,
Vollkommenheit und Liebe.
Glück ist die Gegenwart dieses Kindes.
Wenn wir in strahlende Kinderaugen sehen,
dann strahlen auch wir ...
... wenn wir uns selbst erlauben zu strahlen ...



Dann wird sogar die Schlange zum Freund :-))






alle Bilder aus
Tippi Degrè, Tippi aus Afrika. Das Mädchen, das mit den Tieren spricht.
mit freundlicher Genehmigung des Ullstein-Verlags
Weitere Bilder hier

Donnerstag, 17. Juli 2008

Lehrer Lämpel oder das typische Eltern-Ich


Wem die Begrifflichkeiten nicht so vertraut sind, kann den vorausgegangenen Post dieses Tages besser verstehen, wenn er Folgendes berücksichtigt:

Das Eltern-Ich, ein Teil unserer Ich-Persönlichkeit, ist in vieler Menschen Leben sehr oft jener Finger, den Lehrer Lämpel immer nach oben streckt:
Kerzengerade und unbeugsam weist er in die Unerbittlichkeit.
Gnadenlos sagt er (wie einst oft die Eltern, die Lehrer):
Du hast keine Wahl! - DU MUSST!
Dabei ist dieses Muss so herzlos unnahbar wie Lehrer Lämpels mimisches Styling.

Du sollst ...!
Du musst ...!
Du darfst nicht ...!

Wie sich dieses Müssen auswirkt, habe ich einmal drastisch erlebt, als ein Kollege in meine Klasse kam und mit ihr besprach, welche Aufgaben die Kinder im Rahmen einer Aufführung wahrzunehmen hatten.
Immer wieder verwendete er das Wörtchen "müssen":
Ihr müsst um 14 Uhr da sein,
ihr müsst still sein,
ihr müsst eure Zettel mitbringen.
Besorgt blickte ich auf meine Klasse. Dieses ständige Müssen waren sie nicht gewohnt. Seitdem mich meine liebe Freundin HeideMarie R. Ehrke darauf aufmerksam gemacht hatte, wofür dieses Muss steht, hatte ich es mir peu à peu abgewöhnt. Als erfahrene Trainerin und Coach für ihr HerzManagement sieht sie hinter die Kulissen und erkennt die Folgen und Auswirkungen solcher Verhaltensweisen.
Die Frage, die ein Kind schließlich stellte, war nur logisch und abzusehen:

"Muss ich kommen?"

Wer dieses Müssen verwendet, handelt aus einem Eltern-Ich heraus, das ihm meist nicht bewusst ist.
Es ist oft verbunden mit Zwang, normativem Verhalten und Entzug von Lebensfreude.
Nicht immer lässt sich das Modalverb müssen vermeiden. Manchmal sind ein Vater, eine Mutter, ein Lehrer auch so erschöpft, dass sie aus Not zu dem müssen greifen.
Aber es ist gut, wenn es mehr und mehr uns innerlich überflüssig wird - dann werden wir ein Stück weit freier von Kindheitszwang und Kindheitsdruck.
Zumeist, wenn wir im Übrigen aus Not zu dem müssen greifen, liegt vorher Energiedeformation vor. Nicht selten hat hier schon unser Eltern-Ich vorgearbeitet.
Das Eltern-Ich geht zurück auf unsere Kindheit und ist gebildet aus den Erlebnissen und Erfahrungen mit unseren Eltern. In bestimmten Situationen, z.B., wenn wir mit unseren Kindern nicht klar kommen oder wenn wir uns Menschen gegenübersehen, denen wir uns unterlegen fühlen, greifen wir, oft unbewusst, auf dieses Eltern-Ich in uns zurück. Wir fühlen uns dann oder möchten uns so fühlen, wie wir oft unsere Eltern erlebten: nicht zu überwinden, unnahbar, Unterwerfung erzwingend.
Das Eltern-Ich kann aber auch durchaus positive Ausprägungen haben; unsere Eltern haben uns ja durchaus auch Geborgenheit vermittelt ...
Wenn wir uns spontan drei Dinge aufschreiben, die wir an unseren Eltern schätz(t)en und drei, die wir ablehn(t), oder wenn wir uns fragen, wie hätten unsere Eltern in einer bestimmten Situation reagiert und ihre Reaktion mit unserer eigenen vergleichen, dann kommen wir dem Eltern-Ich auf die Spur.

Wenn Erwachsenen-Ich, Eltern-Ich und Kindheits-Ich durcheinandergeraten.

Man stelle sich folgende Situation vor:
Ein Vater kommt in die Sprechstunde eines Lehrers und er möchte diesem ganz offensichtlich die Meinung sagen und – sagen wir: - den Kopf waschen.
Als Strategie wählt er sich ein seiner Biographie entsprechendes Verhalten:
Er schaut den Lehrer einerseits streng, andererseits etwas von oben herab an und es ist offensichtlich, dass er ein Eltern-Ich spielt und will, dass sein Gegenüber die Kind-Rolle übernimmt. In seiner Inszenierung ist die Rollenverteilung so vorgesehen. Um dies zu erreichen verwendet er mimische Droh- und Überlegenheitsgebärden.
Als ihn sein Gesprächspartner darauf aufmerksam macht, dass er auf ihn sehr angestrengt streng wirke und dass er doch einfach die Inszenierung beenden möge, damit sie doch lieber von Mann zu Mann ganz natürlich miteinander sprächen, geschieht etwas, was mit Menschen geschieht, die nicht ihr wirkliches Erwachsenen-Ich leben können: Der Vater wird zum Kind.
Sein Eltern-Ich ist als Rolle, als Fassade enttarnt, er kann aber auf Grund seiner seelischen Verfassung nun nicht in den Erwachsenen-Status gehen, also aus der Energie eines erwachsenen Mannes heraus sprechen, sondern seine vielen verletzten Kinder melden sich schlagartig zu Wort.
Nach diesen so nicht erwarteten offenen Worten beginnen diese innerlich zu toben und es gelingt dem Vater nur mühsam, diese um sich schlagenden verletzten inneren Kinder, die voller Zorn nach dem Gegenüber geifern, unter Kontrolle zu halten. Es brodelt in ihm und es schlägt den Deckel des Topfes immer wieder nach oben, aus dem Topf, seinem Ego gleich, qualmt es, zischt es, brodelt es. Gut, dass der Deckel frei beweglich war, sonst wäre der Topf geplatzt.
Was war geschehen: Da er das Eltern-Ich nicht platzieren konnte und dieses sich erkannt sieht – in der aktuellen Situation erkennt das der Vater nicht unbedingt bewusst, aber seine Seele weiß es – schlägt das Eltern-Ich ins Gegenteil um: Er geht ins Kind-Ich, ins verletzte Kind-Ich, das so vielfach von den eigenen Eltern verletzt wurde.
Das ist ein Phänomen, was wir aus vielerlei psychischen Bereichen kennen: Jemand, der z. B. als Kind immer wieder körperlicher Gewalt ausgesetzt gewesen ist, steht in Gefahr, Konfliktlösungen mittels Gewalt zu suchen. Das findet sich bekanntermaßen in der Biografie von Vergewaltigern des Öfteren, dass sie selbst vergewaltigt wurden. Ein Mensch, der das erleiden musste, kann also möglicherweise sein Leben lang Opfer bleiben – womöglich mit entsprechenden Schuldgefühlen, die damit unlogischerweise (aber wo ist die Seele linear und rational, wie wir es erwarten?) einhergehen – oder er wird selbst zum Täter.
So kann jemand, der unter einem oder zwei strengen Eltern-Ichs aufwuchs, später selbst so werden oder er bleibt in der Kind-Rolle. Oft aber findet er in seinem Leben nicht die Mitte und in belastenden Situationen fällt er entweder Richtung Eltern-Ich oder Richtung verletztes Kind-Ich, bisweilen, wie in dem vorliegenden Fall, pendelt er zwischen beiden hin und her.
Für den Menschen selbst ist es ein beklagenswerter Zustand und ich finde es wichtig, ihn darauf aufmerksam zu machen, auch auf die Gefahr hin, dass er anschließend die Messer wetzt, intrigiert, verleumdet.
Eine große Hilfe für uns ist, wenn wir unser Eltern-Ich und unser Kind-Ich identifizieren können. Wenn wir erkennen, wo wir uns gerade befinden, kann unser Erwachsenen-Ich recht schnell wieder seinen Platz einnehmen und keine Frage: Es ist schön und gesund, wenn man mit einem erwachsenen Mann oder/und einer erwachsenen Frau sprechen kann.
Hilfestellung und damit Möglichkeiten zur Identifizierung bietet ein verständlich und verständnisvoll geschriebenes Buch. Der entsprechende Buchauszug findet sich in meinem Blog "Inneres Kind" unter dem Post Die Identifikation von Erwachsenen-Ich, Eltern-Ich und Kindheits-Ich. - Möglichkeiten der Selbstfindung. Lebensskripte und Traktionsanalyse.
Er entstammt angezeigtem Buch, das 1976 im Amerikanischen erschien und 1998 in seiner deutschsprachigen Ausgabe seine fünfte Auflage erlebte.

Sonntag, 13. Juli 2008

Die Ankunft des Männlichen - junge Männer und ihre männliche Seite. - Die Bedeutung des Vaters.

Ungefähr in der 10. Klasse beginnt sich sichtbar die männliche Seite eines Jugendlichen zu entwickeln. Was noch eine Klassenstufe vorher nicht so sichtbar ist: In diesem Alter - die meisten sind um 15, 16 Jahre - beginnt sich das männliche Profil, eine männliche Kontur und Kultur zu zeigen. Einige beginnen, sehr bewusst ihren Raum einzunehmen, und sei es auch nur die Art, wie sie auf ihrem Stuhl sitzen, sie zeigen Präsenz, unterlassen kindische Störungen und zeigen schon etwas, was man als männliche Würde bezeichnen kann; das zeigt sich auch in ihrem Verhalten gegenüber ihrem Lehrer, dem sie mit Respekt begegnen; denn natürlich zeigen sie ihm gegenüber, was sie sich selbst gegenüber auch haben.

Das heißt nicht, dass sie nicht auch albern sein können oder von Herzen lachen.

Und da sind andere junge Männer, die in der Stunde schwatzen, schwatzen wie ein Waschweib, den Mund nicht halten können und, verglichen mit den anderen, kein inneres Korsett haben, keine innere Stütze. In ihrem Schwatzen und Tuscheln, in ihrem Abtauchen und Sich-Verstecken wirken sie wie das Kontrastprogramm zu den anderen. Sie können nicht an sich halten, sie müssen alles sofort in die Welt hinausposaunen, sie halten keine Spannung aus. Vielleicht mag es so sein, dass ihre Sexualität ähnliche Züge tragen wird.

Warum ist das so?

* Ein Grund kann ein überstarker Vater sein. Der allwissende Vater - wenn sie Pech haben ist er noch Lehrer oder Psychologe - weiß alles, was sie tun. Allwissend nimmt er vorweg, was sie selbst gerne tun würden und versteht sie.

Es gibt ein Verstehen, das eine Form von demütigender Entwaffnung ist; der allwissende Vater praktiziert das mit seinem Jungen. Solch ein Junge kann an der Seite dieses Vaters kein Mann werden. Solch ein Vater lässt auch keinen anderen Mann an seiner Seite zu. Er entmündigt alle, er ist der dominante Mund, der Vor-Mund; meist betrifft das auch das Verhältnis zu seiner Frau. Da der Sohn vom Vater den Umgang mit dem Weiblichen lernt, geht oft auch der Sohn vergleichbar mit der oder den Frauen in seinem Leben um: Entweder spielt er den Patriarchen oder er ist der ewige Sohn, wenn er auch nach außen anderes vorgibt.

** Ein Grund kann auch ein unmännlicher Vater sein.
Mein Vater war so; er hat sich hinter Gott versteckt; in den hat er projiziert, was er selbst nicht hatte, nicht leben konnte. Manchmal hätte ich erwartet, dass mein Vater Stellung bezieht, auch gegen meine Mutter, ja, dass er ihr Einhalt gebietet, wenn sie wieder ihre Launen auslebte. Doch mein Vater schwieg. Er hielt sich lieber raus. Stattdessen betete er um Frieden. Lieber sah er, dass seine Kinder leiden, sein Sohn leidet, als dass er einen Streit mit meiner Mutter riskiert, den scheinbaren Unfrieden; dabei gab es keinen Frieden. Wo das Männliche, wo der Mann, wo der Vater so kuscht, wird die Mutter, die Frau zum Drachen, zur Hyäne.
Auch mein Vater hatte eben sein Elternhaus, das ihn lieber den Schwanz einklemmen ließ, als ein Rückgrat zu zeigen, das er nicht hatte ... Heute denke ich, Rückgrat kann man lernen. Als Kind hätte ich es gebraucht, einen Vater zu haben, der bereit ist, Rückgrat zu lernen oder sein verkrümmtes aufzurichten. Kinder erwarten das von ihren Vätern - und Söhne brauchen das für ihre Entwicklung: Einen Vater, der ihnen zeigt, was das ist: Rückgrat.

Vor einigen Jahren saß ein junger Mann in einem Kurs, auf etwas proletenhafte Weise machte er die jungen Damen des Kurses an, die sich auf seine Spiele einließen. Zum Teil hing er wie ein Schluck Wasser in seinem Stuhl, flötzte sich hin, dass man meinen musste, er würde gleich vom Stuhl rutschen und wenn es ihm passte, warf er eine Bemerkung in den Raum, die meist den Unterrichtsverlauf störte.

Interessant war, dass ihn die Mehrheit der jungen Damen völlig ignorierte, ja viele sahen bewusst möglichst nicht in seine Richtung. Seine Stillosigkeit war ihnen zuwider. Sie spürten, dass er kein Rückgrat hatte, ja gar nicht wusste, was das ist, dass dieser junge Mann genau also das nicht entwickelte, was er durch sein prolihaftes Verhalten suggerieren wollte: Männlichkeit. Er zerfloss auf seinem Stuhl, war völlig konturlos und ebenfalls nicht in der Lage zu warten, bis es für ihn an der Zeit war, etwas zu sagen. Interessant ist und kein Zufall war, dass er oft in der Trainingshose in die Schule kam.

Es ist wichtig, dass man diese Dinge anspricht, ohne zu verletzen, denn:

Unserer Gesellschaft fehlt es an Männlichkeit.

An der Würde des Männlichen.

Viel liegt an der Unmännlichkeit der Vätergeneration.

Kein Wunder, dass unsere Gesellschaft auf Zerrbilder des Männlichen hereinfällt.

Oft auf eine phallische Männlichkeit, die in nichts einer gestelzten Weiblichkeit nachsteht.

Es sind die Hähne, die ihr großes Kikeriki verkünden, nur beachten die Menschen zu wenig, dass sie immer auf dem Mist stehen. Unter Politikern findet man einige. Unter Lehrern. Unter Psychologen. Unter Fernsehleuten. Unter Ärzten.
Eben überall.

Schlimm nur, dass Jugendliche damit aufwachsen und ihnen das zum Vorbild wird.

Ich wundere mich und bin zugleich erfreut, dass einige dennoch normal und überzeugend männlich werden.

Donnerstag, 10. Juli 2008

Unser Schulsystem zeigt immer mehr sein wahres Gesicht - was soll es auch zeigen, Herz hat es nicht!


In unserer Gesellschaft darf man ja alles sein, nur nicht kopflos.

Herzlos, das darf man sein, das fällt nicht auf - im Zweifel kriegt man ein neues implantiert.

Herzlosigkeit fällt nicht auf, vor allem wenn man ein spirituelles selbst nicht hat.

Wo nichts ist, kann auch nichts resonieren.

Mir geht es so: Ich spüre in der Schule, in dieser Art von Wissensvermittlung, wenig bzw. kaum Herz-Resonanz.

Ich weiß, dass ich als Kind in der Schule immer das Herz eines Lehrers gesucht habe; das habe ich gebraucht, um mich auch dem Unterricht öffnen zu können.

Ich nehme auch heute wahr, dass Kinder, vor allem die Jüngeren, ein Herz suchen, und Gott sei Dank nehme ich es auch bei dem ein oder anderen Kollegen wahr.

Ansonsten verdrängt der Wasserkopf Wissen das Herz.

Wissen vermehrt sich zur Zeit sintflutartig, das ist allseits bekannt; heute geht man davon aus, dass das weltweite Wissen sich nahezu alle 5 Jahre verdoppelt.

Wann endlich fällt unseren Bildungsplanern und Kultusministern auf, dass diese Art von Wissensvermittlung, wie wir sie betreiben, längst überholt ist, weil schlicht und ergreifend das Wissen davonläuft?
Was bringt es, Kinder in ihrer Schulzeit eineinhalb mal durch die Weltgeschichte zu jagen, ihnen beizubringen, welcher Monsun in Hinterindien bläst, wie viel Darmausgänge irgendein Wurm hat oder wie die Inselgruppe halbrechts von den Malediven heißt ...

Längst ist paradigmatisches Lernen, also Lernen an Beispielen angesagt:
Kein Schüler kann alle Epochen der Weltgeschichte, der Literatur-, Musik- oder Kunstgeschichte kennen, obwohl dieser Anspruch je nach Fächerwahl zum Teil besteht, sondern:

Anhand einer beispielhaft behandelten Epoche der Menschheitsgeschichte lernt er, was man beachten muss, um menschliches Leben zu einer bestimmten Zeit, meinetwegen zur Zeit der ägyptischen Hochkultur zu verstehen, z.B.:

Auf welchen Stühlen sind die Menschen damals gesessen?
Wie haben sie sich gekleidet?
Welchen Gott haben sie verehrt? Oder hatten sie mehrere?
Wenn ja, warum?
Welchen Stellenwert hatte die Familie? Welchen die Frau?
Wie war ihr Gesundheitswesen?
Welche Kunstwerke haben sie geschaffen? Was war ihnen heilig?
Haben sie Urlaub gemacht, wenn ja - wo?
Wie alt sind sie geworden?
Was haben sie für Musik gemacht?
Welche Erfindungen sind aus ihrer Zeit bekannt?
Ist es Zufall, dass sie Gebäude in bestimmten Formen gebaut haben?
Wie gingen sie mit Tieren und Bäumen und Pflanzen um?
In welcher Schrift haben sie geschrieben?
Haben sie aus Liebe geheiratet?

Wenn jemand eine einzelne Epoche wirklich versteht in all ihren Facetten, weiß er, wie er selbst den Zugang zu anderen findet!
Er lernt zu lernen! Das muss ein Hauptziel der Schule sein.

Dann hat ein Jugendlicher auch eine Möglichkeit, seine eigene Zeit zu verstehen!
Er stellt die richtigen Fragen, z.B.:
Warum erinnern heute die Frontansichten mancher Bankgebäude an Kirchen?
Warum weisen moderne Kirchengebäude heute nur noch selten nach oben, so wie früher? Warum ducken sie sich ab?

Wissensvermittlung ist heute immer noch viel zu leblos und an Fakten orientiert. Deshalb recyceln Schüler nach der entsprechenden Klassenarbeit ihr "Wissen". Was überflüssig ist, scheiden Körper und Seele aus. Fragt man ein halbes Jahr später nach, ist bei vielen buchstäblich nichts mehr da.

Viel zu viel, was in die Köpfe muss. Die Herzen werden davon krank.
Man sehe sich nur die Erwachsenen an. Die haben diese Mühle mitgemacht.

Sie meinen, sie müssten Kinder dazu erziehen, wie sie sind ...
Viele Kinder treten deshalb die Flucht an.
Oft ist das eine gesunde Reaktion.

Erwachsene haben Angst, Kinder könnten nicht in die Spur treten, die sie ausgetreten haben. Schließlich müssen Kinder ja das Wirtschaftssystem am Laufen halten können.

Aber Kinder könnten ganz neue Spuren legen, nur:
Davor haben Erwachsene Angst.
Angst auch davor zu erkennen, was man mit ihnen gemacht hat.
Wo sie doch so glücklich sind ...

Samstag, 5. Juli 2008

Vom Schulversager über den Gewalttäter zum Lamm Gottes: Ein Weg der Erlösung!

Meiner besten Freundin HeideMarie verdanke ich eine Empfehlung, die für mich so viel Bedeutung gewonnen hat, dass ich sie im Folgenden weitergeben möchte. Ihr war es ein Anliegen, dass ich sie höre, nicht nur lese:

Selten habe ich eine Predigt gehört, die mich so berührt hat, weil sie Fragestellungen meiner beruflichen Arbeit und meines privaten Weges betrifft.

Im Folgenden möchte ich wichtige Stellen aus der Predigt von Pfarrerin Melitta Müller-Hansen, Olching, ziteren, doch gebe ich aus gutem Grund den Link zum Podcast des Bayrischen Rundfunks weiter, denn in der Tat ist es beides zusammen, die Glaubwürdigkeit der Stimme und des Inhalts, die das An-Hören der Predigt so besonders gewinnbringend sein lässt.

Auszug:

Am 20. November 2006 betritt ein junger Mann gegen 9.30 Uhr seine ehemalige Schule - maskiert, am ganzen Körper mit Sprengvorrichtungen gepanzert. Er schießt wahllos auf Menschen und tötet am Ende sich selbst – durch einen Schuss in den Mund. Ein paar Sätze aus seinem Abschiedsbrief, den er im Internet kurz vor der Tat veröffentlicht, geben den Blick frei in seelische Abgründe und eine tödliche Logik:

„Das einzigste, was ich intensiv in der Schule beigebracht bekommen habe, war, dass ich ein Verlierer bin … Bevor ich gehe, werde ich euch einen Denkzettel verpassen, damit mich nie wieder ein Mensch vergisst.“

Sebastian B. wollte kein Opfer sein. Wie ist er es geworden? Warum gab es nur diesen einen Ausweg: vom Opfer zum Täter zu werden, andere zu opfern?
[…]

Botschaften aus einer Welt, die nur Täter und Opfer kennt, liebe Hörerinnen und Hörer. Ich mag nicht glauben, dass es nur eine kleine Gruppe von männlichen Jugendlichen betrifft. Und schon gar nicht, dass man diese Welt verändert, wenn man mit Härte und Strafe und erneuter Gewalt darauf reagiert. So schlagen es Politiker immer wieder vor, weil sie sicher sind, dass sie uns damit aus dem Herzen sprechen.

Mich hat in diesen Wochen vor Ostern, in der Passionszeit ein uraltes christliches Symbol für das Opfer beschäftigt: Das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt trägt. In Passionsliedern, auf Kirchenportalen, auf dem Abendmahlsbrot, in den großen musikalischen Messen begegnet es uns, reden wir es an: Lamm Gottes, das die Sünde der Welt trägt, erbarme dich unser. Das Leid, die Ohnmacht der Opfer, die Gewalt der Täter bündelt sich in ihm, aber auch das, was hinausführt aus dieser Falle und Gewaltspirale. Diese Geschichte raubt uns die Illusionen über uns selbst, und zeigt uns aber auch, wozu wir mit Gottes Hilfe im besten Sinne fähig sind.
[…]

Aber ich muss gar nicht in die große Politik gehen. Da will ein Ehemann seine Frau verlassen und beginnt sie zu demontieren: Sie habe so herabhängende Mundwinkel in letzter Zeit, mit so einer unglücklichen Frau könne er seine besten Jahre nicht vergeuden, sie müsse einsehen, dass er zu einer anderen geht. Es ist auch unsere Geschichte vom Verrat, den wir begehen im geschützten Nest unserer Familien, der Schulklasse, der Nachbarschaft, die Geschichte von nicht ausgesprochenen Enttäuschungen, die den Groll in uns anhäufen. Es muss sich jemand anbieten, der unterliegt, mit dem man es machen kann, weil er weniger stark, weniger anerkannt ist, oder einfach jemand, der in unseren Augen zum Zerrbild seiner selbst geworden ist. Und schon läuft es wie von alleine. So heißt es beim Propheten Jesaja im 53. Kapitel über das Lamm Gottes, das Menschen zu ihrem Sündenbock machen:

Er hatte keine Gestalt und Hoheit. Wir sahen ihn, aber da war keine Gestalt, die uns gefallen hätte. Er war der Allerverachtetste und Unwerteste, voller Schmerz und Krankheit. Er war so verachtet, dass man das Angesicht vor ihm verbarg; darum haben wir ihn für nichts geachtet.

Fürwahr, er trug unsere Krankheit und lud auf sich unsere Schmerzen.
[…]
Vielleicht ist dies der Punkt, liebe Hörerinnen und Hörer, an dem es Menschen heute so schwer fällt, an die erlösende Kraft zu glauben, die vom Kreuz, vom Gotteslamm ausgeht. Gott und Gewalt sind die krassesten Gegensätze, die es gibt. Wer das verschleiert, belastet unsere Gewissen und macht aus unserem Herzen ein finsteres Loch. „Verraten, gebunden, geschlagen, verspottet, bespeit, verhöhnt, mit einer Dornenkrone gekrönt“ – das alles ist von Menschen gemacht und hat gar nichts Göttliches an sich!

Gott ist ganz anders dabei. Er ist die Macht, die Gewalt nicht rechtfertigt, sondern gewaltfrei überwinden hilft. Auch wenn Jesus seine Freunde vorbereitet auf seinen Tod und davon spricht, dass es geschehen muss; auch wenn sich das in ihren und unseren Ohren so anhört, als ob Gott dieses Opfer, diese Gewalt will, ist es ein grobes Missverständnis. Gott will nicht die Gewalt, aber ihre Lösung, und mutet sie seinem Sohn zu. Das Lamm Gottes macht nicht mit bei der Gewalt. Das ist der Ausweg. Das ist das Opfer, das Geschenk, das wir empfangen.
[…]
Jesus betet in seiner Ohnmacht – „lass den Kelch an mir vorüber gehen, vergib ihnen, sie wissen nicht, was sie tun.“ Und findet so den Ausweg aus der Gewaltspirale. Keine Rache, keine Vergeltung, kein: Er hat es verdient, ich habe es verdient, selbst verschuldet, ich muss büßen.
„Er hat niemand unrecht getan … kein Betrug ist in seinem Mund gewesen“, heißt es im Lied vom Opferlamm. Er geht den viel schwereren Weg der Vergebung. „Weil seine Seele sich abgemüht hat, wird er das Licht schauen und die Fülle haben.“

Und das traut Gott auch uns zu: dass unsere Seele diese schwere Arbeit auf sich nimmt, bis Hass und Groll aus ihr verschwinden und Licht, Wärme, Liebe, Barmherzigkeit Platz bekommen. Für Menschen, die schwerer Gewalt ausgesetzt waren, kann das ein jahrelanger Prozess sein, der Angst, den schwarzen Gedanken und Gefühlen zu entkommen, bis man das hilflose, ausgelieferte Opfer hinter sich lässt und wieder ein Mensch ist [...]