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Samstag, 31. März 2012

Es war getan, eh es gedacht ... – Wer liebt, ist schneller als das Licht

Goethe überrascht immer wieder mit besonderen Wendungen. Bauchiger kann jemand kaum handeln als derjenige, der etwas tut, bevor sich sein Plan in den Ganglien hin zum Hirn gewunden hat und die Befehle sich schlussendlich zu den Extremitäten hin ausbreiten.
Erst schlägt das Herz und so, wie es schlägt, kann es nur mit der Einen zusammenhängen, die wartet.
Nichts wie aufs Pferd.
Goethes Pferd steht zu jener Zeit im Elsass und ab geht die Post  - nach Sesenheim. Dort wartet ein attraktives Pfarrerstöchterlein, das Goethe magisch anzieht.
Diesem Pfarrerstöchterlein verdanken wir Goethes Sesenheimer Lyrik. Oder sagen wir so:
Wenn es nicht Friederike Brion gewesen wäre, wäre eine andere die Muse jener Zeit geworden. Dem jungen Goethe gefiel so manche Frau - und umgekehrt.
Die Liebe jener Zeit spiegelt sich auch im Heideröslein.
Gerade hält der Abend die Erde noch im Arm und die Nacht bereitet sich darauf vor, die Erde aus den Armen des Abends entgegenzunehmen, da fegt der junge Student durch die elsässische Nacht, so dass fast sogar die alte Eiche ihre Fassung verliert.


Willkommen und Abschied

Es schlug mein Herz, geschwind zu Pferde!
Es war getan fast eh gedacht.
Der Abend wiegte schon die Erde,
Und an den Bergen hing die Nacht;
Schon stand im Nebelkleid die Eiche,
Ein aufgetürmter Riese, da,
Wo Finsternis aus dem Gesträuche
Mit hundert schwarzen Augen sah.

Der Mond von einem Wolkenhügel
Sah kläglich aus dem Duft hervor,
Die Winde schwangen leise Flügel,
Umsausten schauerlich mein Ohr;
Die Nacht schuf tausend Ungeheuer,
Doch frisch und fröhlich war mein Mut:
In meinen Adern welches Feuer!
In meinem Herzen welche Glut!

Dich sah ich, und die milde Freude
Floß von dem süßen Blick auf mich;
Ganz war mein Herz an deiner Seite
Und jeder Atemzug für dich.
Ein rosenfarbnes Frühlingswetter
Umgab das liebliche Gesicht,
Und Zärtlichkeit für mich – ihr Götter!
Ich hofft es, ich verdient es nicht!

Doch ach, schon mit der Morgensonne
Verengt der Abschied mir das Herz:
In deinen Küssen welche Wonne!
In deinem Auge welcher Schmerz!
Ich ging, du standst und sahst zur Erden
Und sahst mir nach mit nassem Blick:
Und doch, welch Glück, geliebt zu werden!
Und lieben, Götter, welch ein Glück!
                                                     (1771)

Manchmal stelle ich mir vor, ich könne der Abend sein und die Erde in den Armen halten :-)) Über viereinhalb Milliarden Jahre in den Armen ...
Wer weiß, wie alt meine Seele ist, wie alt unsere Seelen sind ...

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Donnerstag, 29. März 2012

Auch Pferde rauchen mit ...

Was ich - man entschuldige den heftigen Ausdruck - zum Kotzen finde, ist, wenn Reiterinnen auf ihrem Pferd rauchen.
Es mag daran liegen, dass ich viel mehr Reiterinnen als Reitern begegne, aber Fakt ist, dass ich bisher nur rauchenden Frauen begegnet bin (beim Handynutzen ist es durchaus gemischtgeschlechtlich).
Gestern bin ich solch einer Natur-Tussi auf ihrem Pferd begegnet: Headset auf den Ohren, I-Phone laut geschaltet, so dass ich mithören musste, in der einen Hand den Zügel, in der anderen die Zigarette, die lässig am Bein runterhing und vor sich hinkokelte, intensivstes Gespräch mit der Freundin, das war nicht zu überhören, während das Pferd lustlos den Asphalt betrabte ...


Ehrlich, mir tun die Pferde leid. Es liegt solch eine Verachtung ihnen gegenüber in diesem Verhalten ...
Ich glaube den Pferden anzuspüren, wie sie das kränkt.
Dass die Damen und Herren Tierbenutzer zunehmend beim Ausreiten ins Handy sprechen, das beobachte ich schon länger.
Muss man alles so pervertieren?
Gott sei Dank gibt es sie noch: Pferdefreunde, Reiterinnen und Reiter, denen man die Verbundenheit mit ihrem Pferd anspürt, die jeden Schritt ihres Pferdes wahrnehmen und die Zeit auf dem Pferderücken nutzen, um mit ihrem Pferd und der Natur Zwiesprache zu halten.
Ich finde es sehr schön und ästhetisch, dieses wiegende Einvernehmen. 
Je mehr es vorhanden ist, desto leichter wirken die Pferde ... erleichtert ...

Mittwoch, 28. März 2012

Was die Malmsheimer Wetterstation schlüssig beweist: kein Weltuntergang


Die Malmsheim-Bär´sche Wetterstation hebelt den Maya-Kalender aus: Der Stein hängt  nach unten (Bild großklicken)!




Keine Angst also vor Angstmachern, Endzeitfetischisten und Hochglanz-Spiritualisten. 
Ostern kann kommen, und immer vor und um Ostern dominiert das Gelb. 


Mit dem Löwenzahn blüht auch das Herz auf:






Jeder Baum will geschmückt sein:


Und es lacht und glänzt jeder Strauch
im seidenen Frühlings-Morgen-Sonnen-Licht:


PS: Dass der Maya-Kalender dennoch Recht hat, aber auf eine andere Weise, darüber wird noch gesprochen werden.

Freitag, 23. März 2012

Wo die EthikPost innerhalb der letzten 30 Tage gelesen wurde ...


Im Folgenden die zehn Länder, die an erster Stelle stehen; Slowenien und Israel mit 12 Aufrufen sind z.B. noch dabei, auch die Türkei, Camerun, Marokko, Ägypten, Vietnam, China, Neuseeland und andere mehr. Diese weltweite Verbindung finde ich einfach klasse ...


Seitenaufrufe nach Land
Deutschland
2.752
Vereinigte Staaten
165
Österreich
149
Schweiz
127
Russische Föderation
79
Niederlande
56
Ukraine
46
Georgien
32
Italien
29
Indien
22

Sonntag, 18. März 2012

Eine Innigkeit, wie sie es in dieser Weise nur in Volkslieder gibt: Im Märzen der Bauer die Rösslein anspannt ...


   Im Märzen der Bauer die Rösslein anspannt,
   er setzt seine Felder und Wiesen instand.
   Er pflüget den Boden, er egget und sät
   und rührt seine Hände frühmorgens und spät.

   Die Bäu'rin, die Mägde, sie dürfen nicht ruhn:
   Sie haben im Haus und im Garten zu tun;
   sie graben und rechen und singen ein Lied
   und freun sich, wenn alles schön grünet und blüht.

   So geht unter Arbeit das Frühjahr vorbei;
   da erntet der Bauer das duftende Heu.
   Er mäht das Getreide, dann drischt er es aus:
   Im Winter, da gibt es manch'  fröhlichen Schmaus.


Eines der schönsten Volkslieder, die den Frühling ankündigen, ist dieses Lied aus Mähren,einem Gebiet im heutigen Tschechien, ein heute historischer Landstrich, der östlich von Böhmen lag.

Dort sprachen ungefähr ein Drittel der Einwohner Deutsch, und ihnen verdanken wir obige Zeilen, die uns daran erinnern, wie sehr Menschen damals - und manche noch heute - im Rhythmus der Natur lebten und diese für uns und ihre Nachkommen bearbeiteten und damit pflegten, ja ehrten.
Heute setzen wir kaum noch etwas instand, in der Regel kaufen wir gleich Neues; damals noch setzte der Bauer die Natur instand, das heißt in einer ursprünglichen Bedeutung, er brachte sie in einen bestimmten Zustand hinein.

Warum ich Volkslieder so liebe, ist, weil sie mittels so einfacher Mittel so unverblümt eindrücklich sein können.
Das beginnt schon in der ersten Zeile, indem das Prädikat anspannt nicht an zweiter Stelle im Satz steht, wie man das gewohnt ist. Auch Der Bauer als Subjekt steht nicht klotzig am Anfang der Zeile, nein: 
Zunächst geht es mal um den Monat, die Jahreszeit - Im Märzen - und dann erst kommt der Bauer; der hat sich schließlich auch nach der Jahreszeit zu richten! Am Schluss dann das Prädikat. Da müsste der Duden Kopf stehen, wenn es nicht so köstlich einprägsam wäre:

Im Märzen der Bauer die Rösslein anspannt ...

Eine richtige An-Spannung auf das anspannt hin :-))

Lesen Sie mal zum Vergleich: Der Bauer spannt im März seine Rosse an ...
Zum Vergessen !

Apropos Rösslein!
Dieses Diminutiv - Pferde sind eigentlich, vor allem, wenn man vor ihnen steht, nicht unbedingt zierliche Rösslein - gibt in dieser schlichten Koseform wieder, mit welcher Liebe und Zuneigung alles Folgende geschieht. Mit einem einzigen Wort wird hier eine Atmosphäre vermittelt, wie wir sie in diesen Volksliedern auch finden wollen. Selbst wenn die Zeiten von damals vorbei sind, so sind sie doch in unserem Gedächtnis vorhanden und wollen anklingen.

Dieses schlichte und doch in seiner Einfachheit so faszinierende Lied ist mit seinen drei Strophen von Dreiklängen geprägt:
In der ersten Strophe pflügt, eggt und sät der Bauer.
In der zweiten graben, rechen und singen die Bäuerin und ihre Mägde.
In der dritten Strophe wird geerntet, gemäht und gedroschen.

Kein Wunder, dass, wenn in solch einer Atmosphäre das Frühjahr vorbeigeht, im Winter dann fröhlich geschmaust werden kann.

Montag, 12. März 2012

Michelangelo Buonarotti: Du hast zum Himmel mich emporgehoben ...


Du hast zum Himmel mich emporgehoben,
Du, die allein auf Erden mich entzückte;
Dir dank’ ich, was nur wenige beglückte,
Ein Leben wie im Reich der Geister droben.

Sind hier Geschöpf und Schöpfer so verwoben,
Dass Himmelsahnung mich der Welt entrücke,
Wie sollte dann das Herz, das glutdurchzückte,
Nicht ungestraft dich preisen und dich loben?

Drum wenn ich von so schönem Augenpaare
Den Blick nicht wenden mag, so ist es, weil ich
In seinem Licht den Weg zu Gott gewahre.

Und deucht mir edel meine Lieb’ und heilig,
So ist es, weil die Flamme, die mich nähret,
Der Wonne gleicht, die jene Welt verkläret.



Was Dichter wie Goethe, Hölderlin, Mörike und viele andere verbindet: Wenn sie lieben, schwingt sich diese Liebe in der Angebeteten auch immer auf zu göttlichen Höhen.
Das entspricht einfach dem Wesen der Liebe, und große Seelen können gar nicht anders, als auch in ihrer Dichtung diesem Wesen der Liebe zu entsprechen.  
Was Michelangelo vor über 450 Jahren schrieb, war damals so aktuell wie heute.

Michelangelo führen die Augen der Geliebten, führen das Licht ihrer Augen zu Gott.
Gibt es einen schöneren Weg zu Gott?

Sonntag, 11. März 2012

♫ ♬ Auf dem wehenden Banner Phantasiens gelesen ♫ ♬ Über das Leben nach dem Leben

             
                 

Manchmal ist es gut zu wissen, dass Menschen,
die uns auf der Erde verlassen,
in einer anderen Welt wie ein Neugeborenes
begrüßt werden.
Was bei uns so oft fehlt, dass Kindern
Vertrauen ins Leben vermittelt wird
und wirkliches Willkommen,
das ist dort immer vorhanden.

Jedem Sterbenden ist ein Sterbeengel zuteil,
ein liebevoller Freund und Helfer,
dem er sich anvertraut und der ihn weich bettet
auf seiner Energie der Liebe.

Neugeboren hinein in das Leben nach dem Leben, denn
Tod, das ist eine Erfindung der Menschen,
menschlichen Bewusstseins.
Aus einer anderen Perspektive wechseln wir nur den Raum.
Für das Göttliche sind beide Räume vielleicht nicht einmal
durch Türen abgetrennt,
und wenn es Tresortüren sind, dann sind es Tresortüren
unseres menschelnden Bewusstseins.

Die Neugeborenen bitten die auf der Erde Verweilenden
herzlich
nicht zu trauern, sie fühlen sich ja nicht tot,
sie sind noch eine ganze Weile, 
manchmal Monate, 

bei den auf der Erde Verweilenden,
in deren Nähe, und wünschen
so sehr, dass sie sich freuen mit ihnen über ihre neue
Stätte eines neuen Bewusstseins – 
neu, nicht 

weil der Ort neu wäre, sondern weil
ihr Bewusstsein angereichert ist mit Jahren des Lebens
und der Erfahrungen, 
die nur die Erde erlaubt –
weshalb sie wiederkehren.

Bevor sie wieder zur Erde kommen, 

werden sie manchen, den sie dort verlassen haben
begrüßen, wenn er kommt, 

wie der Vater
im Gleichnis den Sohn begrüßt.
Manche sind hier auf der Erde in Wirklichkeit 

– wie es jener Vater im biblischen Gleichnis formuliert – 
tot, ohne lebend lebendiges Bewusstsein,
andere leben auch hier auf der Erde 

oder beginnen zu leben, weil
ihr Bewusstsein beide Räume zu verbinden
beginnt oder mehr und mehr sie verbindet.

Sicherlich gibt es Menschen, die sich von
der Erde nicht lösen können, wenn sie sterben;
wir nehmen sie als Geister wahr oder fühlen
sie in einem Haus, in das wir kommen.
Das ist eine andere, eine traurige Geschichte. 

Sicherlich gibt es "Verstorbene", 
die Menschen auf der Erde belästigen, 
besetzen, 
wir kennen entsprechende Zeugnisse. 
Manche mögen auch sein, 
wo sie nicht glaubten, 
dass sie sein würden 
im Leben nach dem Leben.

Wenn es gut geht aber begleiten sie, 
die auf neue Weise leben.
eine Mutter den Sohn, 
ein Vater die Tochter, 
eine Frau ihren Mann, 
ein Mann seine Frau,
sanft und zart, 
nie als Ratschläger, 
immer als Ratgeber. 
Nie als Besitzende, 
immer als Wirkende im Sinne der Liebe. 
Es ist ein Irrtum zu glauben, 
das Leben nach dem Leben hielte keine Aufgaben bereit.

Unsere Aufgabe im Hier und Jetzt ist es, 

den Himmel auf die Erde
zu bringen,
wir tun das 

mit jedem Gebet, das mit dem Herzen
gebetet wird, 
mit jedem Vater unser, 
mit jedem Ave Maria, 
mit jedem liebevollen Gedanken, 
mit jeder liebevollen Tat, 
mit allem, was sich um Liebe bemüht. 
Schon unser Bemühen ist so wertvoll.

Menschen, die das Göttliche negieren,
zementieren die Türen zu und das Licht, das
sie zu sehen glauben, ist das Neonlicht ihres
Verstandes.
Es hat keine Wärme. Es ist das kalte Licht
Luzifers.

Wir aber hoffen und glauben an das warme Licht,
das die zarten Pflanzen des Göttlichen in uns und um uns
wachsen lässt.

Gerade der Frühling will uns diese wärmenden Strahlen
bewusst werden lassen.


               ♨

Montag, 5. März 2012

Hermann Hesses "Seltsam im Nebel zu wandern". Ego-Projektionen an den Nebelwänden! – Über Herzen im Nebel.

In den letzten Tagen bin ich zweimal etwas spät rausgekommen, um über die Felder und Hügel vorbei an den Pferdegestüten und Pferdekoppeln zu streifen. Die Sonne ging gerade unter und - mir nichts, dir nichts - stieg Nebel auf. Recht schlagartig wurde es kalt, über die Hochebene legte sich eine richtige Kühle und ich war froh, die Mütze dabei zu haben. Weg war auf einmal die Sicht auf Weil der Stadt, auf Renningen, auch die Pferdestallungen verschwanden im Nebel.
Das erinnerte mich an zwei Erlebnisse im Nebel, die noch heute, viele Jahre später mir ganz präsent sind.
Das eine war eine Nebelwanderung in der Nähe des Matterhorns. Ich war allein unterwegs und wusste, dass ich eigentlich durch eine wunderschöne Landschaft ging, links und rechts wären Almen und Bäume, auch ein kleiner Bach zu sehen gewesen, hier und da eine Baumgruppe und ein Gatter.
Doch ich sah nichts.
Irgendwie konnte ich es nicht glauben. Alles verschluckt. Nichts. 
So ein schales Gefühl von Akzeptierenmüssen ...
So ein tiefes inneres Bedauern, wie es sein könnte ...
Zwei Tage später ging ich die Strecke in hellstem Sonnenschein. Meine Güte, was für ein Unterschied.
So wie das Leben.Man kann durch eine blühende Landschaft gehen, doch es ist nichts als Watte, gegen die man nicht einmal kämpfen kann. Sie schluckt alles Leben, jede Reaktion!
Die zweite Nebelsituation war im Zusammhang mit einer Klassenfahrt. Damals war ich mit einer Klasse drei Tage unterwegs im Gebirge. Am zweiten Abend waren wir gerade noch auf der Hütte angekommen. Dann zog Nebel auf.
Nach dem Abendessen ging ich noch ein paar Schritte vors Haus. Geschirrklappern allenthalten, Johlen aus den Zimmern. Highlife.
Mir taten die Schritte vors Haus gut. Ich ging meinem Gefühl nach gerade mal 70, 80 Meter und drehte mich um: nichts mehr zu sehen - nichts mehr zu hören. Nicht einmal den Weg in nächster Nähe sah ich mehr richtig. Kaum, dass ich die Hand vor Augen sah.
Nebel so dicht. Unvorstellbar.
Auf einmal kapierte ich, wie man im Gebirge hoffnungslos verloren sein kann. Ich bin unterwegs, suche die Hütte, wo ich die Nacht verbringen will. Ich weiß, hier muss sie sein, ich muss sie finden, die Nacht bricht herein, es wird kalt werden. Was ich nicht weiß: Ich laufe hundert Meter entfernt an ihr vorbei. Ich sehe sie nicht, laufe vorbei in die Nacht, in den Nebel.

Nicht einmal den Weg findet man mehr. Einmal einen kleinen Trampler für den Weg gehalten und auf ihm falsch gelaufen, dann findet man den eigentlichen nicht mehr. Alles sieht gleich aus. Unmöglich, eine Wegmarkierung noch zu finden. Man müsste förmlich vor dem Stein liegen und auf ihn gucken, dann könnte man die Markierung sehen. Aber es würde absolut nichts nützen. Wo wäre die nächste? 

Dass Menschen hier sang- und klanglos abstürzen, weil sie an einer Gratstelle ins Straucheln kommen oder den abschüssigen Steilhang zu spät sehen: nur zu leicht nachvollziehbar.
Ich weiß, dass ich damals ruckartig umdrehte und tief aufatmete, als ich auf einmal wieder Lichter sah!

Hermann Hesse wusste genau, wovon er 1906 schrieb, als er Im Nebel dichtete.
Nebel - rückwärts gelesen: Leben.
Aber ebenso:
Leben - rückwärts gelesen: Nebel!

Im Nebel 
Seltsam, im Nebel zu wandern!
Einsam ist jeder Busch und Stein,
Kein Baum sieht den andern,
Jeder ist allein.
 
Voll von Freunden war mir die Welt,
Als noch mein Leben licht war;
Nun, da der Nebel fällt,
Ist keiner mehr sichtbar
Wahrlich, keiner ist weise,
Der nicht das Dunkel kennt,
Das unentrinnbar und leise
Von allen ihn trennt.
Seltsam, im Nebel zu wandern!
Leben ist Einsamsein.
Kein Mensch kennt den andern,
Jeder ist allein.

Wir wissen, Hermann Hesse war nicht der große Lyriker, wenn ihm auch einige wenige exzellente Gedichte gelungen sind, wie ich finde. Und wir wissen auch, dass er sich gern etwas priesterlich-seherhaft gab, man hört es einer Formulierung wie Wahrlich, keiner ist weise an. Amen heißt wahrlich und so sagt auch Hesse: Amen, ich sage Dir ... wie gesagt, seherhaft, auch gern bibelhaft.

Aber wo er recht hat, hat er recht: Seltsam, im Nebel zu wandern!
Scheinbar recht, denn differenzieren muss man schon:
Seltsam ist es, wenn ich weiß, ich komme an, wenn ich mich also im Grunde nicht verlaufen kann, keine Angst habe während meiner Nebelwanderung, wenn sie eine Episode ist, eine Phase, die vorbei geht.
Trostlos und schrecklich ist es, wenn sich das Leben zu einer Nebelwanderung ausdehnt.
Dann ist nichts mehr nur seltsam ... es ist viel, viel schlimmer.
Nebel kündet sich meist an, das ist das Gute. Dennoch laufen viele zielsicher hinein.
Was man aber auch wissen muss: Ein Nebelwanderer findet nur selten allein aus der Watte des Vergessens heraus. – Er braucht einen Führer, der sich auskennt.

Sind es in der ersten Strophe die Büsche, Steine, Bäume, die allein sind, so sind es in der letzten die Menschen.

Mit welcher Selbstverständlichkeit Hesse schreibt: Leben ist Einsamsein.
Kein Mensch kennt den andern. 
So pauschalisierend schreibt jemand, der selbst im Nebel sich befindet.
Hesse muss damals in tiefstem Nebel gewesen sein.

Ja, wenn L-e-b-e-n zur Umkehrung davon wird, was es sein soll, wird es N-e-b-e-l.

Bedrückend ist für mich, dass es vielen Menschen gelingt, sich vergessen zu machen, dass sie im Nebel laufen. 
Wie machen sie das?

Sie illuminieren den Nebel, die Nebelbänke, die Nebelwände.
Wie auf einer Seifenblase sind da auf dem Nebel die schönsten Bilder zu sehen, mal eine Oase mit Palmen und Kokosnüssen, mal eine der üblichen Kulturmeilen mit Mac Donalds, Schlecker, Karstadt, Schuhgeschäften, Media-Markt ... was das Herz so begehrt, das Herz im Nebel ...

Ja, der Nebel kann zu Kopfe steigen, so dass wir Gott als Versucher ausgeben wie der geschätzte Olivier Messiaen im vorletzten Post ... oder sagen: Leben ist Einsamsein. 
Dank der Illuminierungen fällt es gar nicht auf, dass uns der Nebel in Watte packt . . . eine tödliche Watte für das wahre Leben. 
Da ist es gut, wenn man, wie Ricarda Huch in den Schluss-Terzettten ihres Sonetts wissen darf:

Wie nachts ein Segel steuernd heimatwärts
Der Leuchte zu die schweren Nebel spaltet
Und so gelenkt sich in den Hafen rettet,

Ging ich getrost, den Blick an dich gekettet,
Die Hände gläubig auf der Brust gefaltet,
Durch Flut und Dunkel an dein strahlend Herz.